Gamma-Blitz passt nicht in das bisherige Schema der Astronomen

Am 11. Dezember 2021 registrierte der Swift-Satellit der Nasa einen intensiven Schauer von Gammastrahlung aus dem Weltall. Solche Gamma-Blitze oder „Gamma Ray Bursts“ sind keine Seltenheit – fast jeden Tag registrieren Satelliten-Observatorien eines dieser Ereignisse. Doch der Blitz vom 11. Dezember 2021 – kurz als GRB 211211A bezeichnet – passte nicht in das gewohnte Schema der Astronomen: Die Dauer des Gamma-Schauers deutete auf die Explosion eines Sterns als Ursache, doch andere Eigenschaften der empfangenen Strahlung eher auf die Verschmelzung zweier Neutronensterne, wie mehrere Forschungsteams jetzt in den Fachjournalen „Nature“ und „Nature Astronomy“ berichten.

Astronomen unterscheiden zwei Arten von Gamma-Blitzen: Kurze dauern maximal zwei Sekunden und entstehen, so die Hypothese, beim Zusammenstoß und der Verschmelzung zweier Neutronensterne. Lange Gamma-Blitze mit einer Dauer von mehr als zwei Sekunden von bis zu mehreren Minuten dagegen sind die Folge von Supernovae, massereichen Sternen also, die am Ende ihres Lebens zu einem Neutronenstern oder Schwarzen Loch zusammenstoßen und dabei ihre äußeren Schichten explosionsartig ins Weltall abstoßen.

Doch vereinzelnd fügen sich Gamma-Blitze nicht in diese einfache Aufteilung ein – sie sind zwar lang, aber es gibt bei ihnen keinerlei Anzeichen für eine Sternexplosion. Bislang konnten sich die Forscher darauf keinen rechten Reim machen. GRB 211211A liefert den Astronomen jetzt den bislang detailliertesten Blick auf ein solches rätselhaftes Ereignis. Denn die Ursache des Gamma-Blitzes liegt mit etwa einer Milliarde Lichtjahre näher an der Erde als die meisten derartigen Ereignisse – und deshalb leuchtete dieser Blitz auch außerordentlich hell am Himmel auf.

So konnten mehrere Forscherteams GRB 211211A unmittelbar nach der Entdeckung außer mit Swift auch mit zahlreichen anderen Detektoren und Teleskopen beobachten – und das nicht nur im Bereich der Gammastrahlung, sondern auch im optischen, ultravioletten und Röntgen-Bereich. Im Gegensatz zu typischen langen Gamma-Blitzen, die nach ihrem hellen Aufleuchten langsam verlöschen, zeigte GRB 211211A ein äußerst komplexes Verhalten. Der eigentliche Blitz dauerte 13 Sekunden, gefolgt von einem weiteren, wenn auch schwächeren Aufleuchten über einen Zeitraum von 55 Sekunden. Sechzehn Minuten später traf erneut hochenergetische Gammastrahlung ein, die über einen Zeitraum von mehr als fünf Stunden anhielt.

Diese Vielfalt an unterschiedlichen Komponenten des Gamma-Blitzes erlaubte es einem Team um Jun Yang von der Universität Nanjing in China, ein Modell für die Ursache des Ereignisses zu entwickeln: Weder Supernova noch Zusammenstoß von Neutronensternen, sondern die Verschmelzung von einem Weißen Zwergstern mit einem Neutronenstern können alle Beobachtungen konsistent erklären, so die Wissenschaftler. In diesem Szenario bildet sich durch die Verschmelzung zunächst ein schnell rotierender Neutronenstern mit einem starken Magnetfeld.

Mit einem solcher „Magnetar“ ließen sich die diversen Komponenten des ungewöhnliche Gamma-Blitzes erklären, so Yang und seine Kollegen. Nicht alle Forscher sind allerdings davon überzeugt – insbesondere für das lange Nachleuchten sei ihrer Meinung nach ein Schwarzes Loch als Kollisionspartner für den Weißen Zwergstern erforderlich. Andererseits würde eine solche Verschmelzung vermutlich nur einen kurzen Gamma-Blitz erzeugen können. Damit sind die Forscher bei der Erklärung der seltsamen Gamma-Blitze zwar einen Schritt weitergekommen, aber für eine endgültige Lösung sind weitere Beobachtungen möglichst vieler ähnlicher Ereignisse nötig.

Bildquelle: Aaron M. Geller/Northwestern/CIERA and IT Research Computing Services