Höchstens 400 Millionen Jahre, zeigt die Auswertung von Daten der Raumsonde Cassini

Das Alter der Saturnringe ist unter Forschern immer noch heftig umstritten. Während ein Teil der Planetenforscher von einer Entstehung des Ringsystems gemeinsam mit Saturn vor 4,5 Milliarden Jahren ausgeht, halten andere Wissenschaftler die Ringe für jung: Erst vor wenigen hundert Millionen Jahren, vielleicht sogar erst vor zehn Millionen Jahren seien sie entstanden. Für diese These präsentiert jetzt ein internationales Forschungsteam um Sascha Kempf von der University of Colorado in den USA neue Argumente. Auf Basis einer neuen Analyse von Daten der Raumsonde Cassini, die von 2004 bis 2017 den Saturn umkreist hat, ergebe sich ein maximales Alter von 400 Millionen Jahren, berichtet das Team im Fachblatt „Science Advances“.

Im Zentrum der Debatte um das Alter der Saturnringe steht dabei ihre verblüffende Reinheit. „Die Ringe bestehen überwiegend aus Wassereis“, erläutern Kempf und seine Kollegen. „Dieses Eis ist lediglich mit einem Anteil von höchstens zwei Prozent mit anderen Stoffen verschmutzt.“ Die verschmutzenden Substanzen dringen dabei von außen in Form von Staub und Mikro-Meteoriten in die Ringe ein. Die Verschmutzung der Ringe sollte also, so das Argument für ein junges Alter, im Laufe der Zeit zunehmen und nach 4,5 Milliarden Jahren erheblich größer sein, als es tatsächlich beobachtet wird.

„Um eine Obergrenze für das Alter der Ringe zu erhalten, muss allerdings der Zustrom an verschmutzender Materie möglichst genau bekannt sein“, betonen Kempf und seine Kollegen. Glücklicherweise hatte Cassini ein Messinstrument an Bord – den Cosmic Dust Analyzer – mit dem sich dieser Zustrom messen und untersuchen lässt. Das Team hat die gesammelten Daten dieses Instruments jetzt noch einmal zusammengefasst und analysiert. Bei dem Hauptanteil des Zustroms handelt es sich, so zeigt die Studie, um Mikrometeoriten – Objekte kleiner als ein Millimeter – aus dem Kuipergürtel jenseits der Umlaufbahn des Planeten Neptun.

Insgesamt ermitteln die Forscher für die Saturnringe einen jährlichen Zustrom an verschmutzendem Material von 2,2 bis 8,5 Gramm pro Quadratkilometer. Das mag wenig erscheinen, reicht jedoch aus, um das reine Eis der Ringe um wenige Prozent mit anderen Stoffen anzureichern. Das maximale Alter der Saturnringe sei demnach, so Kempf und sein Team, 400 Millionen Jahre, sie könnten sogar jünger als 100 Millionen Jahre sein.

Aber auch wenn die Daten und die Berechnungen jetzt genauer als zuvor sind, ist dieses Argument nicht neu – und nicht unumstritten. Erst 2019 wies ein Team um Arélien Crida von der Sternwarte Côte d’Azur darauf hin, dass Prozesse denkbar seien, die dazu führen, die Ringe „sauber“ zu halten und so ein junges Alter vorzutäuschen. Tatsächlich zeigen andere Messungen der Raumsonde Cassini, dass bevorzugt dunkleres Material aus dem Ringsystem auf den Planeten abregnet und auch nach außen abströmt. Das könnte, so Crida und Kollegen, die Verschmutzung der Ringe auf einem konstanten Niveau halten.

Kempf hält dieses Szenario allerdings für unwahrscheinlich. Denn bei der abströmenden dunklen Materie handele es sich um sehr kleine Nanopartikel. „Damit es funktioniert, muss sich erst der große Staub in Nanoteilchen innerhalb des Ringmaterials umwandeln“, so der Forscher. „In einem zweiten Schritt müssen dann diese Nanoteilchen durch Einschläge von Meteoriten freigesetzt werden. Das bedeutet, dass diese Meteoriten leichter sein müssen als die Gesamtmasse der Nanoteilchen, welche sie durch den Einschlag freisetzen – denn andernfalls würden die Ringe ja noch schmutziger werden. Das klingt alles sehr unwahrscheinlich.“

Gleichwohl dürfte die Debatte um das Alter der Saturnringe mit der neuen Analyse der Cassini-Daten kaum beendet sein. Man darf gespannt sein, welche Argumente die Vertreter der These, die Ringe seien alt, jetzt ins Feld führen. Hier bietet sich eine gute Möglichkeit zu beobachten, wie Wissenschaft funktioniert: Nicht nur Hypothesen, sondern auch dafür angeführte Beweise werden immer wieder kritisch hinterfragt.

Bildquelle: Nasa.