Forscher entdecken auf Satellitenbildern ein neuartiges Phänomen

In der Nacht vom 10. auf den 11. Mai traf ein ungewöhnlich starker Sonnensturm die Erde: Polarlichter waren nicht nur über Mitteleuropa und Nordamerika zu bewundern, sondern selbst von Teneriffa aus. Doch der Sonnensturm sorgte nicht nur für spektakuläre Leuchterscheinungen, sondern auch für deutliche Veränderungen in der Hochatmosphäre, wie ein Forschungsteam aus den USA im Fachblatt „Geophysical Research Letters“ berichtet: Auf Aufnahmen des Spezialsatelliten GOLD stießen die Wissenschaftler auf einen nie zuvor beobachteten Wirbel über der Nordhalbkugel der Erde.

Von einem „entzückenden wirbelförmigen Muster“ spricht Scott England von der Virginia State University, der maßgeblich an den Beobachtungen und ihren Auswertungen beteiligt war. Einen solchen Wirbel habe man niemals zuvor gesehen. Wie der Forscher erläutert, führen die an den magnetischen Polen der Erde herabströmenden elektrisch geladenen Teilchen eines Sonnensturms nicht nur zu den Polarlichtern, sondern heizen die Atmosphäre dort auch stark auf. „Die erhitzte Luft dehnt sich dann aus und strömt von den Polen weg in Richtung Äquator“, so England weiter, und bilde dabei den beobachteten Wirbel heraus.

Unsere Sonne ist derzeit besonders aktiv und zeigt viele dunkle Flecken – kühlere Region – auf ihrer Oberfläche. Über solchen Flecken kann es zu plötzlichen Veränderungen des Magnetfelds kommen. Solche Eruptionen katapultieren dann große Mengen an geladenen Teilchen ins Weltall hinaus. Am 10. Mai schleuderte die Sonne gleich sieben solcher koronalen Massenauswürfe Richtung Erde – und löste damit den größten Sonnensturm seit 20 Jahren aus.

Die Erde ist zwar durch ihr Magnetfeld vor elektrisch geladenen Teilchen aus dem Weltall geschützt. Doch bei einem Sonnensturm gerät dieser Schutz ins Wanken. Viele Teilchen gelangen entlang der magnetischen Feldlinien hinab zu den Polen und lösen, wenn sie in der Hochatmosphäre auf Luftmoleküle treffen, die Leuchterscheinungen der Polarlichter aus. Aber die Stürme führen auch zu starken Schwankungen des irdischen Magnetfeld, die wiederum elektrische Ströme auslösen können.

Mögliche Folgen sind Störungen in den Bereichen Kommunikation, Navigation und Energieversorgung. Bei dem Sonnensturm im Mai wurde insbesondere aus dem Mittelwesten der USA über Stromausfälle und Ausfälle des Navigationssystems berichtet. Dadurch kamen beispielsweise automatisch fahrende landwirtschaftliche Maschinen von ihrem Kurs ab.

Und auch die Lufthülle der Erde leidet unter einem Sonnensturm. England und seine Kollegen haben die Auswirkungen des Sonnensturms auf die obere Atmosphäre mithilfe des 2018 gestarteten Satelliten GOLD beobachtet. Der Name steht für „Global Observation oft he Limb and the Disk“, also „globale Beobachtung des Randes und der Scheibe“ der Erde. Dazu nutzt GOLD eine Ultraviolett-Kamera, deren Bilder den Wissenschaftlern die Temperatur und die Bewegung der Luft in der Hochatmosphäre zeigen. So sind sie auf de Aufheizung an den Polen und den Wirbel gestoßen.

„Unsere Beobachtungen werfen jetzt die Frage auf, ob wir mit diesem Wirbel etwas Besonderes entdeckt haben, das sich nur bei diesem Sonnensturm gebildet hat, aber nicht bei früheren“, so England, „oder ob wir aufgrund besserer Instrumente auf etwas gestoßen sind, das bei jedem Sonnensturm auftritt.“ Da in den kommenden Monaten mit weiteren Eruptionen auf der Sonne zu rechnen ist, hoffen die Forscher, diese Frage schon bald mit weiteren GOLD-Beobachtungen beantworten zu können.

Bildquelle: J. S. Evans et al.