Ein Experiment am Large Hadron Collider zeigt Unterschiede zwischen einem exotischen Baryon und seinem Antiteilchen
Materie und Antimaterie sollten beim Urknall in gleichen Mengen entstanden sein. So die Vorhersage theoretischer Modelle zur Entstehung des Kosmos. Doch im Universum scheint es fast nur Materie zu geben – keine Spur von Antimaterie. Physiker sind jetzt der Lösung dieses Problems wieder ein Stückchen näher gerückt: Sie konnten bei Experimenten am Forschungszentrum Cern bei bestimmten Teilchen, den Baryonen, eine fundamentale Asymmetrie zwischen Teilchen und Antiteilchen nachweisen. Die Entdeckung öffne auch einen neuen Weg für die Suche nach „neuer Physik“ jenseits der derzeitigen Theorien, schreiben die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature“.
Alle Materie ist aus kleinen Bausteinen aufgebaut, den Atomen. Diese wiederum bestehen aus einem schweren, elektrisch positiven Atomkern und einer Wolke leichter, elektrisch negativer Elektronen, die diesen umschwirren. Atomkerne wiederum bestehen aus Protonen und Neutronen und jedes dieser Teilchen aus drei „Quarks“. Und zu jedem dieser elementaren Teilchen gibt es ein Antiteilchen mit jeweils entgegengesetzten physikalischen Eigenschaften. So besitzt das Positron, das Antiteilchen des Elektrons, eine positive elektrische Ladung.
Auf den ersten Blick sollten physikalische Vorgänge identisch ablaufen, wenn man alle Teilchen durch ihre Antiteilchen ersetzt. Doch die Wirklichkeit ist ein wenig komplizierter: Die Theorie sagt voraus, dass man nicht nur alle Teilchen in Antiteilchen umwandeln muss, sondern zusätzlich alle Raumrichtungen spiegeln und die Zeit umkehren muss, um physikalisch die gleichen Vorgänge zu erhalten. „CPT-Theorem“ nennen Physiker diese Voraussage des Standardmodells.
Zunächst gingen viele Wissenschaftler davon aus, dass physikalische Vorgänge, zumindest in der Welt der Elementarteilchen, keine bevorzugte Zeitrichtung besitzen. Dem Film einer Teilchen-Reaktion könnte man dann nicht ansehen, ob er vorwärts oder rückwärts läuft. Doch 1964 machten Physiker eine erstaunliche Entdeckung: Für bestimmte Teilchen, so genannte Mesonen, die aus zwei Quarks bestehen, ist die „CP-Symmetrie“ verletzt – sie verhalten sich also verschieden, wenn man die Teilchen gegen ihre Antiteilchen austauscht und zugleich die Raumrichtungen spiegelt. Das bedeutet jedoch, wenn das CPT-Theorem korrekt ist, dass es für diese Teilchen auch keine T-Symmetrie, also keine zeitliche Symmetrie gibt.
Seither haben Physiker in vielen Experimenten an Teilchenbeschleunigern auch nach einer solchen Verletzung der CP-Symmetrie bei Baryonen gesucht, also bei Teilchen, die aus drei Quarks bestehen wie Neutronen und Protonen. Denn diese machen den Hauptbestandteil des normalen Materie im Universum aus – und vielleicht, so die Hoffnung, liegt hier die Ursache für die kosmischen Materie-Antimaterie-Asymmetrie.
Die Suche danach erwies sich jedoch als erheblich schwerer als erwartet. Erst jetzt, 60 Jahre später, gelang es einem Forschungsteam am „Large Hadron Collider“ LHC am Cern, dem größten und leistungsfähigsten Teilchenbeschleuniger der Welt, bei einem Baryon die Verletzung der CP-Symmetrie nachzuweisen. Allerdings nicht bei einem Proton oder Neutron, sondern bei einem mit einer Teilchenkollision künstlich erzeugten „Beauty Baryon“. Dieses exotische Teilchen zerfällt schon nach einer Billionstel Sekunde wieder in andere Partikel. Und dieser Zerfall verläuft bei seinem räumlich gespiegelten Antiteilchen anders, wie die Experimente am LHC zeigen.
Für die Teilchenphysiker ist dieser Nachweis, auch wenn es sich um ein kurzlebiges, exotisches Teilchen handelt, ein großer Durchbruch. Das Experiment zeigt zudem einmal mehr, dass sich bereits in der Welt der Elementarteilchen die zeitliche Richtung von Vorgängen feststellen lässt. Doch auch diese CP-Verletzung bei Baryonen reiche bei weitem nicht aus, um zu erklären, warum es im Kosmos nur Materie und keine Antimaterie gibt, betonen die Forscher des LHC-Teams. Es müsse also zusätzliche Beiträge von bislang unbekannten Kräften oder Teilchen jenseits des Standardmodells geben.
Bildquelle: Cern