Gravitationswellen zeigen erstmal „hierarchischen Entstehung“ der Schwerkraftmonster

Wenn Schwarze Löcher sich einander auf einer Spiralbahn nähern und schließlich miteinander verschmelzen, erschüttern sie Raum und Zeit. Als Gravitationswellen breiten sich diese Erschütterungen über Millionen und Milliarden von Lichtjahren hinweg im Weltall aus. Mithilfe kilometergroßer Detektoranlagen können Astronomen seit einem Jahrzehnt diese Schwingungen der Raumzeit messen – und haben so bereits etwa 300 Verschmelzungen von Schwarzen Löchern aufgespürt.

Jetzt stieß ein internationales Forschungsteam dabei auf zwei ungewöhnliche Ereignisse: Je eines der Schwarzen Löcher ist bei diesen Verschmelzungen so schwer und rotiert so ungewöhnlich, dass es nicht auf normalem Weg entstanden sein kann. Vielmehr müssen diese seltsamen Schwarzen Löcher selbst bereits aus einer Verschmelzung hervorgegangen sein, wie die Wissenschaftler im Fachblatt „Astrophysical Journal Letters“ berichten.

„Diese beiden Verschmelzungen geben uns einen bemerkenswerten Einblick in das Wachstum und die Entwicklung Schwarzer Löcher“, erläutert Ling Sun von der Australian National University, einer der beteiligten Forscher. „Ihre schnelle Rotation und ihre Massen deuten darauf hin, dass es sich um Schwarze Löcher der zweiten Generation handelt.“ Vermutlich seien sie in einer Umgebung mit einer hohen Sterndichte entstanden, etwa in einem Kugelsternhaufen. Denn dort komme es häufiger zu Verschmelzungen Schwarzer Löcher.

Schwarze Löcher entstehen, wenn der nukleare Energievorrat eines massereichen Sterns verbraucht ist. Der Stern kann keine Energie mehr erzeugen und stürzt unter seinem eigenen Gewicht zusammen – und zwar unaufhaltsam: Die Materiedichte wächst ins Unermessliche. Und damit auch die Anziehungskraft in der Umgebung. Sie wird schließlich so groß, dass nicht einmal Licht aus der Umgebung eines solchen Objekts entkommen kann – daher die Bezeichnung „Schwarzes Loch“.

Von besonderem Interesse für Astronomen sind dabei Sternenpaare, bei denen beide Sterne zu Schwarzen Löchern kollabiert sind. Denn diese verlieren bei ihrer gegenseitigen Umkreisung langsam Energie, stürzen auf einer Spiralbahn aufeinander zu und verschmelzen unter Aussendung eines charakteristischen Gravitationswellen-Signals miteinander. Diese Signale sind allerdings extrem schwach, wenn sie die Erde erreichen: Sie führen über eine Strecke von einem Kilometer nur zu einer Längenänderung, die kleiner ist als der Durchmesser eines Protons, also eines Bausteins der Atomkerne.

Nur mithilfe ausgetüftelter, hochpräziser Technik gelingt es den Forschern, diese winzigen Veränderungen zu messen. In Detektoren mit kilometerlangen Armen sausen dazu Laserstrahlen bis zu 300 mal hin und her und werden schließlich zur Überlagerung gebracht. Ohne Gravitationswellen löschen sich die Laserstrahlen dabei gegenseitig aus, es kommt also am Ende kein Licht mehr an. Doch schon eine winzige Änderung der von den Laserstrahlen zurückgelegten Strecke zerstört diese perfekte Auslöschung, lässt ein wenig Licht hindurchschimmern und verrät so den Empfang einer Gravitationswelle.

Die Messungen der Detektoranlagen LIGO in den USA, VIRGO in Italien und KAGRA in Japan sind inzwischen so genau, dass die Astronomen daraus die Massen und die Bewegung der verschmelzenden Schwarzen Löcher bestimmen können. Und bislang waren alle so entdeckten Schwarzen Löcher in guter Übereinstimmung mit einer Entstehung aus einem Sternpaar.

Nicht so die am 11. Oktober und am 10. November 2024 registrierten Gravitationswellen-Signale. Wie Sun und seine Kollegen berichten, ist in beiden Fällen schon das Massenverhältnis der beiden Schwarzen Löcher ungewöhnlich: Das eine ist jeweils etwa doppelt so schwer wie das andere. Und das schwerere Schwarze Loch dreht sich in beiden Fällen nicht nur extrem schnell, sondern zudem stark gegen die Bahnbewegung der beiden Schwarzen Löcher gekippt. Im Falle des Ereignisses vom 11. Oktober 2024 dreht sich das Schwarze Loch sogar entgegengesetzt zur Bahnbewegung.

Dafür gibt es keine Erklärung, wenn die beiden Schwarzen Löcher ursprünglich ein gewöhnliches Sternenpaar gebildet habe – dann sollten Bahnbewegung und Drehung der Schwarzen Löcher übereinstimmen. Doch es gibt eine andere Erklärung. „Diese Eigenschaften sind typisch für Paare, bei denen das massereichere Objekt selbst bereits aus der Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher hervorgegangen ist“, schreiben die Wissenschaftler. Theorien sagen solche „hierarchischen Verschmelzungen“ seit langem als wichtigen Prozess für das Wachstum Schwarzer Löcher voraus.

Diese beiden Gravitationswellen-Ereignisse liefern nun erstmals einen direkten Nachweis für einen solchen Prozess. Weitere Beobachtungen müssen nun jedoch zeigen, ob es sich bei den beiden Systemen um eine Ausnahme handelt – oder ob solche Vorgänge im Kosmos häufig vorkommen.

Bildquelle: Carl Knox, OzGrav, Swinburne University of Technology