Entdeckung eines Quasar-Quartetts fordert Astronomen heraus - müssen die Forscher ihre Modelle der kosmologischen Entwicklung überdenken?

Heidelberg / Zürich (Schweiz) - Es gleicht dem Gewinn des Jackpots beim Lotto: Ein internationales Astronomenteam ist bei der Untersuchung von 29 Quasaren – leuchtkräftigen Kernen ferner Galaxien – unerwartet auf ein enges Quartett dieser seltenen Objekte gestoßen. Doppel- und Dreifach-Quasare kennen die Himmelsforscher zwar bereits, aber SDSS J0841+3921 ist der erste vierfache Quasar. Die Wahrscheinlichkeit für einen solchen Fund betrage lediglich 1 : 10 Millionen, so die Forscher im Fachblatt „Science“ – die Entdeckung sei also entweder ein unglaublicher Zufall, oder sie deute auf unbekannte Effekte in der Evolution von Galaxien und Galaxienhaufen.

„Extrem seltene Ereignisse haben die Macht, lang gediente Theorien auf den Kopf zu stellen“, sagt Joseph Hennawi vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg. Die erste Entdeckung eines Quasar-Quartetts könne die Kosmologen dazu zwingen, ihr heutiges Bild von der Entstehung von Quasaren und Super-Galaxienhaufen zu überdenken. Quasare stellen nur eine kurze Phase in der Galaxienentwicklung dar, angetrieben durch den Einfall von Materie in das supermassereiche Schwarze Loch einer Galaxie. Deshalb sind diese leuchtkräftigen Objekte selten, die typischen Abstände zwischen ihnen betragen einige hundert Millionen Lichtjahre.

Unter den mehr als 500.000 heute bekannten Quasaren finden sich nur rund hundert Doppel-Objekte und einige wenige Dreifach-Systeme. Mit der Entdeckung eines Quasar-Quartetts hat deshalb niemand gerechnet. Hennawi und seine Kollegen waren bei ihren Beobachtungen mit dem Keck-Teleskop auf Hawaii denn auch einem anderen Phänomen auf der Spur: großen Wolken aus kühlem Wasserstoff-Gas, in die offenbar einige Quasare eingebettet sind. Auch bei SDSS J0841+3921 stießen die Forscher auf eine solche, etwa eine Million Lichtjahre große Wolke. Genauere Beobachtungen dieser Gaswolke zeigten dann überraschend nicht nur einen, sondern gleich vier Quasare. Treffend tauften Hennawi und seine Kollegen die Wolke deshalb „Jackpot-Nebel“.

Die Beobachtungen zeigen außerdem, dass der Jackpot-Nebel und seine Quasare sich in einer ungewöhnlich dichten Region des Kosmos befinden: Sie enthält hundert Mal mehr Galaxien, als im Mittel zu erwarten. Die Forscher vermuten, dass dort ein Super-Galaxienhaufen entsteht. Das Licht von SDSS J0841+3921 benötigt etwa zehn Milliarden Jahre zur Erde – die Astronomen sehen diese Region also so, wie sie vor zehn Milliarden Jahren, vier Milliarden Jahre nach dem Urknall, ausgesehen hat. Damit erhalten die Forscher einen Einblick in die Entstehungsphase großer Strukturen im Kosmos.

„Unsere heutigen Modelle der kosmischen Strukturbildung sagen jedoch vorher, dass massereiche Strukturen im frühen Universum mit extrem dünnen Gas gefüllt sein sollten, mit Temperaturen von rund zehn Millionen Grad“, erläutert Sebastiano Cantalupo von der ETH Zürich. „Das Gas im Jackpot-Nebel ist im Vergleich dazu tausend Mal dichter und tausend Mal kühler.“ Der Jackpot-Nebel und seine vier Quasare deuten also auf signifikante Probleme der heutigen Erklärungsmodelle für die Entstehung von Galaxien und Galaxienhaufen hin.

Bildquelle: Arrigoni-Battaia & Hennawi / MPIA