Astronomen gelingt erstmals Nachweis eines Schwarzen Lochs mittlerer Masse

Cambridge (USA) - Im Zentrum des Kugelsternhaufens 47 Tucanae verbirgt sich ein Schwarzes Loch mit der 2200-fachen Masse unserer Sonne. Das zeigt eine genaue Untersuchung der Bewegung von Pulsaren in dem Kugelsternhaufen durch ein Astronomen-Trio aus den USA und Australien. Es handelt sich um den bislang besten Beweis für die Existenz Schwarzer Löcher mittlerer Masse. Aus solchen Schwarzen Löchern könnten bereits im jungen Kosmos die supermassereichen Schwarzen Löchern in den Zentren von Galaxien entstanden sein, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature“.

„Schwarze Löcher mittlerer Masse können uns dabei helfen, die Entwicklung von stellaren Schwarzen Löchern zu supermassereichen Schwarzen Löchern zu verstehen“, schreiben Abraham Loeb vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics in Cambridge und seine Kollegen. „Doch leider war die Existenz von Schwarzen Löchern mittlerer Masse bislang fraglich.“ Wenn sehr massereiche Sterne am Ende ihrer Existenz in einer Supernova-Explosion vergehen, stürzt ihr Kernbereich zu einem stellaren Schwarzen Loch mit der mehrfachen Masse unserer Sonne zusammen. Wie aber können sich aus solchen stellaren Schwarzen Löchern bereits im jungen Kosmos in den Zentren von Galaxien Schwarze Löcher mit der millionen- oder gar milliardenfachen Masse der Sonne gebildet haben?

Schwarze Löcher mit mehreren hundert oder tausend Sonnenmassen könnten die Antwort auf diese Frage sein. Doch alle Versuche, solche Schwarzen Löcher mittlerer Masse sind bislang gescheitert. Immer wieder haben Astronomen insbesondere Versucht, aus der Bewegung der Sterne in Kugelsternhaufen – dichten Ansammlungen von mehreren Hunderttausend Sternen – auf mittlere Schwarze Löcher in deren Zentren zu schließen. Doch die Untersuchungen lieferten stets nur eine obere Grenze für die Masse eines solchen Schwarzen Lochs. Mit anderen Worten: Die Bewegung der Sterne ließ sich auch ohne ein zusätzliches Schwarzes Loch erklären.

Loeb und seine Kollegen Bülent Kızıltan und Holger Baumgardt sind jetzt einen anderen Weg gegangen. Sie haben die Bewegung von Pulsaren – schnell rotierenden Neutronensternen – im 17.000 Lichtjahre entfernten Kugelsternhaufen 47 Tucanae untersucht. Die Eigendrehung dieser Objekte ist so präzise, dass die Forscher über den Dopplereffekt die genaue Beschleunigung der Pulsare im Schwerefeld des Kugelsternhaufens messen können. Computermodelle der drei Forscher zeigen, dass die Verteilung dieser Beschleunigungen stark von der Masse eines zentralen Schwarzen Lochs abhängt. Ein Vergleich der numerischen Modelle mit den Beobachtungen liefert die beste Übereinstimmung für ein Schwarzes Loch mit 2200 Sonnenmassen.

Überraschend für die Forscher ist, dass von diesem Schwarzen Loch weder Radio- noch Röntgenstrahlung ausgeht. „Im Gegensatz zu unseren Erwartungen ist die Zentralregion des Kugelsternhaufens also offenbar arm an Gas“, so Loeb und seine Kollegen. Denn wenn Gas in ein Schwarzes Loch hineinfallen würde, würde es sich aufheizen und Strahlung aussenden. Das könnte auch erklären, warum die Suche nach der typischen Strahlung Schwarzer Löcher aus den Zentralregionen von Kugelsternhaufen bislang erfolglos war. Und wenn Schwarze Löcher mittlerer Masse typisch für dichte Sternenansammlungen sind, könnten aus der Verschmelzung dieser Schwarzer Löcher bei der Entstehung der Galaxien im jungen Kosmos relativ rasch supermassereiche Schwarze Löcher entstehen, so die Forscher.

Bildquelle: Nasa/Esa