Dunkle Materie spielte im frühen Universum eine geringere Rolle als heute

Garching - In der Frühzeit des Kosmos drehten sich Galaxien anders als heute. Das zeigen Messungen eines internationalen Forscherteams mit dem Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte in Chile. Während heute die rätselhafte Dunkle Materie die Rotation von Galaxien bestimmt, spielte sie vier Milliarden Jahre nach dem Urknall offenbar noch keine große Rolle. Damals dominierte die normale Materie in Sternen und Gaswolken, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature“.

„In den äußeren Bereichen der massereichen Galaxien im jungen Kosmos sind die Rotationsgeschwindigkeiten nicht konstant, sondern nehmen nach außen ab“, berichten Reinhard Genzel vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching und seine Kollegen. Im heutigen Kosmos dagegen bleibt die Rotationsgeschwindigkeit in den Außenbezirken von Galaxien konstant. Dieses überraschende, in den 1970er Jahren entdeckte Verhalten lässt sich nicht allein mit der Schwerkraft der sichtbaren Materie erklären. Deshalb postulierten die Astronomen damals die Existenz einer zusätzlichen Dunklen Materie aus bis heute unbekannten Elementarteilchen, die 80 Prozent der Masse einer Galaxie ausmacht.

Diese Dunkle Materie spielt, wie Computersimulationen zeigen, auch eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Galaxien im jungen Kosmos. Die normale – von den Forschern „baryonisch“ genannte – Materie sammelt sich überall dort, wo die Dunkle Materie eine höhere Dichte aufweist. Da baryonische Materie im Gegensatz zur Dunklen Materie nicht nur der Schwerkraft, sondern auch anderen Wechselwirkungen unterliegt, kann sie sich schneller zusammenziehen. So bilden sich in den Halos aus Dunkler Materie rasch dichte Scheiben aus normaler Materie – die ersten Galaxien –, in denen dann explosionsartig Sterne entstehen.

Soweit Theorie und Simulationen – eine Bestätigung durch Beobachtungen fehlte für dieses Szenario bislang. Diese haben Genzel und seine Kollegen nun geliefert. Sie präsentieren erstmals Rotationskurven sechs massereicher Galaxien mit hoher Sternentstehungsrate im jungen Kosmos. Die gemessenen Rotationskurven lassen sich, so die Forscher, allein mit der sichtbaren Materie erklären – Dunkle Materie beeinflusse die Rotation der Galaxien damals also offenbar kaum. Genau das ist zu erwarten, wenn die Dunkle Materie in dieser kosmischen Epoche noch ausgedehnte Halos bildet und sich erst später in den Galaxien verdichtet hat.

Bildquelle: ESO