Astronomen beobachten erstmals ein solches Sternenpaar in der Entstehungsphase

Yongin (Korea) - Wie entstehen Doppelsterne mit nur etwa einem Zehntel der Masse unserer Sonne und Abständen, die das Fünfhundertfache der Entfernung Erde-Sonne übertreffen? Bislang haben die Astronomen keine eindeutige Antwort auf diese Frage gefunden. Das hat sich jetzt geändert: Einem internationalen Forscherteam gelang es mit dem Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array ALMA, einer aus 66 Antennen bestehenden Radio-Teleskopanlage in Chile, erstmals, ein solches Sternenpaar noch in der Entstehungsphase zu beobachten. Die Messungen zeigen, dass die beiden Sterne getrennt durch Turbulenzen in der ursprünglichen Gaswolke entstanden sind, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature Astronomy“.

„Es ist eine große Herausforderung, die Entstehung von weiten Doppelsternen sehr niedriger Masse zu verstehen“, schreiben Jeong-Eun Lee von der Kyung-Hee-Universität in Korea und ihre Kollegen. Einerseits könnten beide Sterne unabhängig voneinander entstehen, wenn Turbulenzen zum Kollaps kleiner Teilregion in einer große Gaswolke führen. Andererseits sei auch denkbar, dass die Sterne zunächst als enge Paare entstehen und erst durch Gezeitenkräfte auseinander wandern.

Um zwischen den beiden Szenarien zu unterscheiden, müsste man ein solches Sternenpaar noch in seiner Entstehungsphase aufspüren, sagten sich Lee und ihre Kollegen. Als geeigneten Kandidaten identifizierten sie den 460 Lichtjahre entfernten weiten Doppelstern IRAS 04191+1523 in einer Sternentstehungsregion im Sternbild Stier. Und das geeignete Instrument, um dieses Paar unter die Lupe zu nehmen, ist ALMA: Das Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array beobachtet Strahlung in einem Wellenlängenbereich, die den Staub in Sternentstehungsregionen durchdringt und somit insbesondere für die Untersuchung der Entstehung von Sternen und Planeten geeignet ist.

Die ALMA-Beobachtungen zeigen, dass beide Sterne noch von einer rotierenden Scheibe aus Gas und Staub umgeben sind. Aus der Rotation der Scheiben konnten die Forscher die Massen der Sterne bestimmen: Sie bringen lediglich 0,14 und 0,12 Sonnenmassen auf die Waage. Das Alter der Sterne schätzen Lee und ihre Kollegen auf lediglich etwa 100.000 Jahre. Bei einer Umlaufzeit des Doppelsterns von 50.000 Jahren ist das System damit zu jung, um durch Gezeitenkräfte so weit auseinander gewandert zu sein. Zudem weisen die beiden Akkretionsscheiben der Sterne in ganz unterschiedliche Richtungen – auch das, so Lee und seine Kollegen – sei ein sicheres Indiz dafür, dass die beiden Sterne durch die „turbulente Fragmentation“ bereits als weites Paar entstanden sind.

Bildquelle: J. E. Lee et al. / NPG