Beobachtungen einer nahen Sternentstehungsregion liefern überraschende Erkenntnisse

Löwen (Belgien) - Es gibt sehr viel mehr massereiche Sterne als bislang angenommen. Zumindest im 180.000 Lichtjahre entfernten Tarantelnebel in der Großen Magellanschen Wolke. Das zeigen Beobachtungen eines internationalen Astronomenteams mit dem Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte in Chile. Wenn der dort festgestellte Anteil von Sternen mit der 30- bis 300-fachen Masse der Sonne allgemein gelte, habe das erhebliche Konsequenzen für unsere Vorstellungen von der Entwicklung des Kosmos, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Science“.

„Bislang war umstritten, ob es überhaupt Sterne mit bis zu 200 Sonnenmassen gibt“, erläutert Hugues Sana von der Universität Löwen in Belgien. „Unsere Beobachtungen zeigen jetzt, dass die maximale Geburtsmasse von Sternen vermutlich im Bereich von 200 bis 300 Sonnenmassen liegt.“ Sana und seine Kollegen haben insgesamt 247 Sterne mit Massen oberhalb von 15 Sonnenmassen im Tarantelnebel detailliert spektroskopisch untersucht, um den Verlauf der „Massenfunktion“, also der Verteilung der Geburtsmassen in der Sternentstehungsregion, im Bereich großer Massen genauer als je zuvor zu bestimmen.

Das überraschende Ergebnis: Der Tarantelnebel enthält etwa 30 Prozent mehr massereiche Sterne, als es die bisherigen Annahmen der Astronomen vorhersagen. Solche massereichen Sterne spielen astrophysikalisch eine große Rolle. Sie verbrennen ihren nuklearen Brennstoff erheblich schneller als normale Sterne wie unsere Sonne. Bereits nach wenigen Millionen Jahren vergehen sie als Supernovae und reichern so den Kosmos mit schweren Elementen an – Stoffen also, die eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Planeten und Leben spielen. Zudem bilden sich aus dem Kernbereich der Sterne kompakte Überreste – Neutronensterne und Schwarze Löcher.

Wenn sich die beim Tarantelnebel gefundene Massenfunktion verallgemeinern lässt, dann gäbe es im Kosmos 70 Prozent mehr Supernovae, eine Verdreifachung der Produktion schwerer Elemente, vier Mal mehr ionisierende Strahlung von massereichen Sternen und 180 Prozent mehr Schwarze Löcher, so die Folgerungen des Forscherteams. Nun gilt es allerdings mit weiteren Beobachtungen anderer Sternentstehungsregionen zu überprüfen, ob der Tarantelnebel tatsächlich typisch für den Kosmos ist.

Bildquelle: TRAPPIST/E. Jehin/ESO