Die Lösung scheint einfacher als gedacht: Die Bausteine der Planetenentstehung enthielten erheblich mehr Waser als vermutet

Die Erde ist im inneren Sonnensystem eine große Ausnahme: Es ist der einzige Planet mit einer großen Menge an Wasser an der Oberfläche. Woher aber stammt dieses Wasser? Ein französisches Forscherteam präsentiert auf diese seit Jahrzehnten unter Experten heftig umstrittene Frage jetzt eine erstaunlich einfache Antwort: Das Wasser war bereits in den felsigen Bausteinen enthalten, aus denen die Erde entstanden ist. Mehr als das Dreifache des Wassers aller irdischen Ozeane könnten diese Bausteine geliefert haben, berichten die Wissenschaftler im Fachblatt „Science“.

„Das innere Sonnensystem war zu heiß, um Wasser zu enthalten“, fassen Laurette Piani von der Universität Lorraine in Vandoeuvre-les-Nancy und ihre Kollegen die bisherige Sichtweise der Planetenforscher zusammen. Die Gesteinsplaneten sollten daher alle trocken sein – doch die Existenz von Ozeanen auf der Erde widerspricht offensichtlich diesen Ergebnissen von Simulationen der Planetenentstehung. Das Wasser der Erde müsse, so die bislang vorherrschende Meinung, erst später durch Meteoriten aus dem kühleren äußeren Sonnensystem zur Erde gebracht worden sein.

Doch auch dieses Szenario bringt Probleme mit sich: Die Zusammensetzung von wasserhaltigen Meteoriten aus dem äußeren Sonnensystem – den „kohligen Chondriten“ – lässt sich nicht mit der Zusammensetzung der Erdkruste in Einklang bringen. Im Gegensatz dazu stimmt eine andere Art von Meteoriten – die Enstatit-Chondrite – sehr gut mit Felsgestein der Erde überein. Die Planetenforscher sehen in ihnen daher Überreste der Bausteine, aus denen die Erde einst entstanden ist. Demnach stammen die Enstatit-Chondrite aber aus dem heißen inneren Sonnensystem und kommen als Wasserlieferanten nicht infrage.

Oder vielleicht doch? Diese Frage stellte sich das Team um Piani, denn bislang war es nicht gelungen, den tatsächlichen Gehalt an Wasserstoff in Enstatit-Chondriten zu bestimmen. Mithilfe eines neuartigen Verfahrens haben Piani und ihre Kollegen genau das jetzt geschafft – und gezeigt, dass die Bausteine der Erde viel mehr Wasserstoff enthalten als bislang vermutet. Und zwar eine Menge, die hochgerechnet mehr als ausreicht, um den gesamten Wasservorrat der Erde geliefert zu haben. Damit hat die Frage, woher das Wasser der Erde stammt, offenbar eine unvermutet einfache Antwort gefunden. Ganz ohne kohlige Chondriten geht es allerdings nicht, wie Piani und ihre Kollegen betonen: Um die Zusammensetzung der Atmosphäre und der Ozeane exakt zu reproduzieren, müsse es in der Spätphase der Planetenentstehung auch einen Zustrom dieser Meteoriten aus dem äußeren Sonnensystem gegeben haben.

Bildquelle: L. Piani, Museum of Natural History, Paris