Neutronensterne liefern weiteren Wert für die Hubble-Konstante – und verschärfen die Debatte um deren korrekten Wert

Auch durch die Beobachtung kollidierender Neutronensterne in fernen Galaxien lässt sich die Rate bestimmen, mit der das Universum sich ausdehnt. Das konnte jetzt ein internationales Forscherteam um Tim Dietrich von der Universität Potsdam zeigen. Die Astrophysiker kombinierten dazu Messungen von Gravitationswellen, Licht, Radio- und Röntgenstrahlung mit theoretischen Ansätzen der Kernphysik. Auf diese Weise gelang es ihnen schließlich, die Hubble-Konstante zu bestimmen, die ein Maß für die kosmische Expansionsrate ist. Das Ergebnis ist eine Überraschung: Der so ermittelte Wert stimmt nicht mit Messungen der Hubble-Konstante an explodierenden Sternen überein, wie die Wissenschaftler im Fachblatt „Science“ berichten.

Die Hubble-Konstante ist eine zentrale Größe in der Kosmologie: Sie beschreibt, wie schnell im heutigen Kosmos die Abstände zwischen den Galaxien zunehmen. Zwar gibt es inzwischen eine ganze Reihe unterschiedliche Verfahren zur Bestimmung dieser Expansionsrate, die jedes für sich recht genaue Ergebnisse liefern – doch diese Ergebnisse lassen sich im Rahmen ihrer jeweiligen Fehlergrenzen nicht in Einklang bringen. Messungen anhand der kosmischen Hintergrundstrahlung, also des Strahlungsechos des Urknalls, liefern einen Wert um 68, während Beobachtungen an Supernovae einen deutlich höheren Wert um 74 liefern. Die Zahlenwerte geben an, um wie viele Kilometer der Abstand zweier Objekte, die 3,26 Millionen Lichtjahre (ein Megaparsec) auseinander liegen, pro Sekunde zunimmt. Die Diskrepanz zwischen den Messungen im jungen Universum und im lokalen Kosmos bereitet den Himmelsforschern seit Jahren Kopfzerbrechen.

Ein weiteres, vielversprechendes Verfahren könnte die Bestimmung der Hubble-Konstanten aus der Helligkeit von „Kilonovae“ sein, also aus der explosiven Verschmelzung von zwei Neutronensternen. Dazu jedoch müsste die tatsächliche Helligkeit dieser kosmischen Katastrophen bekannt sein – die sich wiederum aus dem Verhalten der extrem dichten Materie im Inneren der Neutronensterne ergibt. Physiker beschreiben dieses Verhalten mit der „Zustandsgleichung“, die den Zusammenhang zwischen Volumen, Druck und Temperatur der Materie darstellt. Leider ist diese Zustandsgleichung bislang nicht genau bekannt. Denn die Dichte in Neutronensternen ist höher als in Atomkernen und übersteigt damit alles, was sich in irdischen Labors erzeugen lässt. Da also Experimente nicht möglich sind, bleibt nur die Möglichkeit, aus der Beobachtung von Neutronensternen Rückschlüsse auf die Zustandsgleichung zu ziehen.

Dietrich und seine Kollegen haben jetzt genau das getan. Das Team hat eine Vielzahl unterschiedlicher Beobachtungen von zwei Neutronenstern-Kollisionen zusammengetragen, um Messungen an Pulsaren – schnell rotierenden Neutronensternen – und kernphysikalischen Überlegungen ergänzt und so die bislang genaueste Zustandsgleichung für die Materie im Inneren von Neutronensternen erhalten. Und damit konnten die Forscher anschließend die Helligkeit des Strahlungsblitzes bei der Kollision von Neutronensternen errechnen, mit den Messwerten vergleichen und so schließlich die Hubble-Konstante bestimmen.

„Von dem Ergebnis war ich ehrlich überrascht“, gesteht Dietrich. Denn mit einem Wert von 66 stimmt es zwar gut mit der aus der Hintergrundstrahlung ermittelten Hubble-Konstanten überein. „Die von uns verwendeten Neutronenstern-Kollisionen fanden aber im lokalen Kosmos statt, deshalb hatten wir mit einem höheren Wert wie bei den Supernova-Messungen gerechnet.“ Noch sei es aber verfrüht, andere lokale Messungen zu verwerfen. „Die Fehler unseres Verfahrens sind dazu noch zu groß“, so Dietrich. Die Diskrepanz zwischen hohem und niedrigem Wert der Expansionsrate des Kosmos konnten die Forscher also noch nicht auflösen. Dazu müsse man in Zukunft das Verfahren auf viele weitere Kollisionen von Neutronensternen anwenden.

Bildquelle: T. Dietrich, Universität Potsdam