Experimente könnten die Tür zu Quanteneffekten der Schwerkraft öffnen

Quantenphysiker der Universität Wien haben die Massenanziehung zwischen gerade einmal zwei Millimeter großen Goldkügelchen gemessen. Für ihr Experiment verwendeten die Forscher ein spezielles Pendel, das unter erheblichem Aufwand gegen alle störenden Einflüsse abgeschirmt werden musste. Das Experiment stellt einen neuen Rekord auf: Es handelt sich um die schwächste Gravitationskraft, die jemals gemessen wurde. Wie die Forscher im Fachblatt „Nature“ berichten, stimmen die Messergebnisse im Rahmen der Fehlergrenzen mit den theoretischen Werten für die Schwerkraft überein. Durch weitere Verbesserungen des Experiments hoffen die Wissenschaftler, mithilfe noch erheblich kleinerer Massen Quanteneffekten der Gravitation auf die Spur zu kommen.

„Die Gravitation ist die schwächste aller bekannten Naturkräfte – und sie stellt uns vor eine der wichtigsten offenen Fragen der modernen Physik“, schreiben Tobias Westphal von der Universität Wien und seine Kollegen, „denn sie verweigert sich einer Vereinigung mit dem Standardmodell der Physik.“ Dieses Standardmodell beschreibt alle anderen Naturkräfte, also den Elektromagnetismus, sowie die „starke“ und die „schwache“ Wechselwirkung zwischen Elementarteilchen. Eine wesentliche Grundlage des Standardmodels ist die Quantenphysik – doch die Schwerkraft lässt sich bislang nicht quantenphysikalisch beschreiben.

Für die Physiker ist es daher von großer Bedeutung, die Schwerkraft von immer kleinerer Massen zu untersuchen – und so schließlich in Bereiche vorzudringen, in den Quanteneffekte eine Rolle spielen. Dort hoffen sie auf bislang unbekannte Phänomene – „neue Physik“ – zu stoßen, die schließlich zu einer einheitlichen Theorie sämtlicher Naturkräfte führen könnten. Doch bislang waren nur Messungen der Anziehungskräfte zwischen Massen bis hinunter von etwa einem Kilogramm möglich.

Diese Grenze hat das Team der Universität Wien jetzt erheblich nach unten verschoben: Die von den Forschern verwendeten Goldkügelchen wiegen gerade einmal 90 Milligramm. Westphal und seine Kollegen verwendeten für ihr Experiment ein Torsionspendel. Es besteht aus einem vier Zentimeter langen und einem halben Millimeter dicken Glasstab, der an einer Glasfaser mit einem Durchmesser von wenigen Tausendstel Millimetern Durchmesser aufgehängt ist. An den beiden Enden des Stabs sind jeweils Goldkugeln befestigt. Sehr nahe bei einer dieser Kugeln befindet sich eine weitere – und die Anziehungskraft zwischen diesen beiden Kugeln verdreht das Pendel. Die Verdrehung des Pendeldrahts – Torsion genannt – gleicht diese Kraft dann aus. Bewegen die Forscher jedoch die dritte Goldkugel, so beginnt das Pendel zu schwingen. Aus der Messung dieser Schwingungen mithilfe eines Laserstrahls können die Physiker die extrem schwache Anziehungskraft zwischen den Kugeln bestimmen.

Allerdings haben die Forscher dabei mit vielerlei Problemen zu kämpfen: Die Schwierigkeit besteht darin, andere Einflüsse auf die Bewegung möglichst klein zu halten. „Der größte nicht-gravitative Effekt in unserem Experiment stammt von seismischen Schwingungen, die durch Fußgänger und den Straßenbahnverkehr rund um unser Labor in Wien erzeugt werden", erzählt Team-Mitglied Hans Hepach. „Die besten Messdaten erhielten wir daher nachts und während der Weihnachtsfeiertage, als nur wenig Verkehr herrschte.“ Insgesamt weicht das Ergebnis der Messungen zwar um etwa neun Prozent vom theoretischen Wert ab. „Aber diese Abweichung können wir vollständig durch die bekannten systematischen Unsicherheiten unseres Experiments erklären“, so die Forscher.

Obwohl sie mit ihrem Experiment einen neuen Rekord aufgestellt haben, sehen Westphal und seine Kollegen darin nur einen Anfang: Ihr Ziel ist es, die Massen der Kügelchen immer kleiner zu machen, bis schließlich Quanteneffekte eine Rolle spielen. Bis dahin allerdings ist es noch ein weiter Weg: Als kritische Masse – die „Planck-Masse“ – für das Auftreten von Quantenphänomenen bei der Schwerkraft sehen Physiker einen Wert von etwa einem hundertstel Milligramm an.

Bildquelle: T. Westphal, U. Wien