Neue Analyse nuklearer Reaktion weckt Zweifel an bisherigen Theorien

Wie haben sich einige hundert Millionen Jahre nach dem Urknall die ersten Sterne im Kosmos entwickelt? Eine Antwort auf diese Frage ist schwieriger als bislang vermutet. Zu diesem Schluss gelangt jetzt ein internationales Forscherteam nach der Auswertung aller verfügbaren Daten über nukleare Reaktionen, die im Inneren dieser Sterne ablaufen können. Der Verlauf der Kernfusion ist demnach komplexer und die sich ergebende Häufigkeit insbesondere von Kalzium sehr viel unsicherer als in bisherigen Modellen angenommen, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Physical Review C“.

„Die erste Sternengeneration hat sich anders entwickelt als die heutigen Sterne“, erläutern Richard deBoer von der University of Notre Dame im US-Bundestaat Indiana und seine Kollegen. „Grund dafür ist die unterschiedliche Zusammensetzung der Materie, aus der die Sterne entstanden sind.“ Denn unmittelbar nach dem Urknall gab es im Kosmos nur Wasserstoff, Helium und eine Prise Lithium – alle schwereren Elemente sind erst später durch Kernfusion in Sternen sowie bei Supernova-Explosionen entstanden.

Doch diese schwereren Elemente spielen in den heutigen Sternen wie unserer Sonne eine wichtige Rolle. Insbesondere Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff dienen im „CNO-Zyklus“ gewissermaßen als Vermittler bei einer effektiven Verschmelzung von Wasserstoff zu Helium. „Die ersten Sterne waren dagegen auf einen weniger effektiven Prozess angewiesen, die Proton-Proton-Kette“, so deBoer und seine Kollegen. Diese ersten Sterne waren vermutlich massereich, sehr leuchtkräftig – und kurzlebig: bereits nach wenigen Millionen Jahren erloschen sie wieder.

Tatsächlich finden Astronomen in den ältesten, heute noch existierenden Sternen – den unmittelbaren Nachfolgern der ersten Sterngeneration – nur wenig schwere Elemente. Mit einer überraschenden Ausnahme: Kalzium. Diesen Befund erklären sich die Himmelsforscher bislang durch das Modell der „schwachen Supernova“. Demnach vergingen die ersten Sterne nach dem Urknall zwar – wie heutige massereiche Sterne – in Supernova-Explosionen. Doch diese Explosionen waren weitaus schwächer und produzierten daher kaum schwere Elemente.

Woher aber kommt dann das Kalzium? Selbst extrem geringe Mengen an Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff könnten, so die Überlegung, bei den ersten Sternen auch CNO-Reaktionen ausgelöst haben – allerdings bei sehr viel höheren Temperaturen als in heutigen Sternen. Und dabei würde dann Kalzium als eine Art Abfallprodukt auftreten. Richard deBoer und seine Kollegen haben jetzt erstmals alle seit 70 Jahren gesammelten Daten über mögliche Kernreaktionen miteinander verknüpft, um diese Theorie zu überprüfen.

Wie sich zeigte, gibt es sehr viel mehr miteinander konkurrierende Reaktionswege als bislang angenommen – die nicht nur Kalzium produzieren, sondern teilweise auch wieder abbauen. Es seien dringend experimentelle Daten bei niedrigen Reaktionsenergien nötig, um die Unsicherheiten bei den Reaktionswegen zu verringern, so die Wissenschaftler. Ihr Ergebnisse mache es insgesamt weniger wahrscheinlich, dass sich das beobachtete Kalzium durch einen CNO-Zyklus in den ersten Sternen erklären lasse: „Das weckt Zweifel am vorherrschenden Szenario der schwachen Supernovae für die Erklärung der Elementhäufigkeiten in den ältesten Sternen.“

Bildquelle: Nasa