Computersimulationen liefern Erklärung für aufgeblähte Ansammlungen von Sternen

Kugelsternhaufen sind dichte Ansammlungen von mehreren Hunderttausend Sternen. Doch es gibt Ausnahmen: aufgeblähte Kugelsternhaufen mit nur einigen Zehntausend Sternen, die zudem oft Schweife aus ausgestoßenen Sternen zeigen. Computersimulationen eines internationalen Forscherteams liefert jetzt eine Erklärung für diese bislang rätselhaften Sternenansammlungen: Sie werden von innen heraus durch eine große Zahl stellarer Schwarzer Löcher zerstört. Dieses Schicksal könnte den meisten Kugelsternhaufen bevorstehen, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature Astronomy“.

Etwa 150 Kugelsternhaufen kennen Astronomen im Halo unserer Milchstraße, ein Zehntel von ihnen ist ungewöhnlich aufgebläht. Paradebeispiel ist Palomar 5, der gerade einmal zehntausend Sterne enthält und zwei Schweife besitzt, die sich über 20 Grad am Himmel erstrecken. Als mögliche Erklärung galt bislang eine nahezu zentrale Passage durch das galaktische Zentrum. Die dort wirkenden starken Gezeitenkräfte hätten demnach dem Kugelsternhaufen den größten Teil seiner Sterne entrissen und ein Teil davon hat sich vor und hinter dem Haufen als Schweif verteilt.

Doch diese Erklärung lasse sich nicht länger aufrecht erhalten, so Mark Gieles von der Universität Barcelona und seine Kollegen aus Spanien, den Niederlanden und Großbritannien. „Bei mehreren Kugelsternhaufen, die nachweislich durch das starke Gezeitenfeld des galaktischen Zentrums hindurchgeflogen sind, lassen sich nur geringe Störungen und keine Schweife nachweisen“, schreiben die Astrophysiker. Es müsse also eine andere Erklärung geben. Um dieser auf die Spur zu kommen, haben Gieles und seine Kollegen umfangreiche Simulationen der Bewegung der Sterne in Kugelsternhaufen durchgeführt, wobei sie Palomar 5 als Modell verwendet haben.

Neben der Dynamik hat das Team dabei auch – und das ist das Neue – die Entwicklung der Sterne zu Supernovae und Schwarzen Löchern berücksichtigt. Wie sich zeigte, können Schwarze Löcher eine überraschend wichtige Rolle für die Entwicklung der Sternhaufen spielen. Zwar erhalten die meisten Schwarzen Löcher, die sich nach Supernova-Explosionen bilden, durch die Asymmetrie der Explosion einen „Kick“, der sie aus dem Kugelsternhaufen heraus katapultiert. Dies gilt jedoch nicht für besonders massereiche Sterne: Hier reicht der „Kick“ nicht aus, die Schwarzen Löcher bleiben im Sternhaufen und katapultieren und ihrerseits mit ihrer starken Gravitation permanent Sterne aus dem Haufen heraus.

Auf diese Weise verlieren Sternhaufen im Laufe von Jahrmilliarden einen großen Teil ihrer Sterne, blähen sich durch die verringerte Masse auf und es bilden sich Schweife aus ausgestoßenen Sternen. Etwa in einer Milliarde Jahren könnte sich Palomar 5, so die Forscher, ganz aufgelöst haben, zurück bliebe lediglich ein Haufen aus einigen Tausend Schwarzen Löchern – und ein Sternstrom entlang der früheren Bahn des Sternhaufens durch den galaktischen Halo. Gieles und seine Kollegen schätzen, dass durch den Zerfall von Kugelsternhaufen bereits etwa 20 solcher Sternströme entstanden sein müssten. Tatsächlich kennen Astronomen etwa 30 Sternströme im galaktischen Halo, deren Herkunft bislang unbekannt ist – bei ihnen könnte es sich also um die Überreste von Kugelsternhaufen handeln.

Bildquelle: NASA/ESA