Erstmals Dimethylether in einer protoplanetaren Scheibe nachgewiesen

Der 444 Lichtjahre entfernte Stern IRS 48 ist von einer Scheibe aus Gas und Staub umgeben, in der vermutlich Planeten entstehen. Und in dieser Scheibe gibt es auch erste Bausteine für die Entstehung von Leben: Ein Forscherteam der Sternwarte Leiden in den Niederlanden und des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik in Garching bei München hat erstmals das aus neun Atomen bestehende Molekül Dimethylether in einer solchen protoplanetaren Scheibe nachgewiesen. Vermutlich gebe es dort auch noch größere und komplexere Moleküle, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Astronomy & Astrophysics“.

Seit langem wissen Astronomen, dass sich bereits in dichten Gaswolken – aus denen Sterne entstehen – komplexe organische Moleküle bilden können. Als „organisch“ bezeichnen Forscher Verbindungen auf der Basis von Kohlenstoff, die als Bausteine des Lebens dienen. Die Vermutung lag also nahe, dass diese Lebensbausteine aus den Sternentstehungsregionen auf entstehende Planeten herabregnen und dort die Entstehung von Leben – geeignete Bedingungen vorausgesetzt – anstoßen könnten. Dann müssten sich komplexe organische Verbindungen auch in protoplanetaren Scheiben nachweisen lassen. Das war bislang jedoch nur bei sehr einfachen Verbindungen wie Methanol gelungen.

Mit dem Nachweis von Dimethylether sind die Forscher jetzt einen großen Schritt voran gekommen. „Wir lernen damit auch etwas über die Entstehung des Lebens auf unserem Planeten“, erklärt Nashanty Brunken von der Sternwarte Leiden, „und wir erhalten eine genauere Vorstellung davon, welches Potenzial für die Entstehung von Leben es in anderen Planetensystemen gibt.“ Und ihre Kollegin Alice Booth ergänzt: „Wir wissen jetzt, dass solche großen komplexen Moleküle vorhanden sind, um auf entstehende Planeten herabzuregnen. Das wussten wir bislang nicht, da sich diese Moleküle in Eisschichten um Staubkörner verstecken.“

Brunken, Booth und ihre Kollegen haben speziell den Stern IRS 48 ins Visier genommen, weil sich in seiner protoplanetaren Scheibe eine „Staubfalle“ befindet – eine Region, in der sich, vermutlich durch die Schwerkraft eines entstehenden Planeten, viele Staubkörner ansammeln. Solche Staubkörnchen sind in einer solchen Umgebung von Eisschichten umhüllt, die auch größere organische Moleküle enthalten können. Verdampft das Eis durch die Strahlung des jungen Sterns, so werden auch diese Moleküle freigesetzt – und könnten, so die Hoffnung der Forscher, nachgewiesen werden.

Mit der großen internationalen Radioteleskop-Anlage ALMA in Chile war das Team erfolgreich: Es gelang den Astronomen, die Strahlung verdampfender Dimethylether-Moleküle einzufangen. Außerdem stießen sie bei ihren Beobachtungen auch auf Strahlung, die auf das aus acht Atomen bestehende organische Molekül Ameisensäuremethylester hinweist. Aus solchen Molekülen können sich präbiotische Moleküle wie Aminosäuren und Zucker bilden, wichtige Grundbausteine für die Entstehung von Leben. „Wir können diese Moleküle jetzt von den Sternentstehungsregionen über protoplanetare Scheiben bis hin zu Kometen verfolgen“, fasst Nienke van der Marel von der Sternwarte Leiden zusammen. „Damit verstehen wir auch besser, woher die präbiotischen Moleküle in unserem eigenen Sonnensystem stammen.“

Bildquelle: ESO/L. Calçada, ALMA (ESO/NAOJ/NRAO)/A. Pohl, van der Marel et al., Brunken et al.