In der Milchstraße gibt es nicht nur mehr erdähnliche Planeten, sie sind vermutlich auch früher entstanden als bislang vermutet

„Früher haben wir gedacht, die Erde sei einzigartig in der Milchstraße“, sagt der Astronom Daniel Kubas, „doch es scheint Milliarden von Planeten mit Massen ähnlich der Erde zu geben, die Sterne in der Galaxis umkreisen.“ Die Entwicklung ist rasant: Gerade einmal 16 Jahre ist die Entdeckung des ersten Planeten bei einem sonnenähnlichen Stern her. Inzwischen haben die Himmelsforscher fast 800 „Exoplaneten“ aufgespürt – und wöchentlich kommen neue hinzu. Die statistische Analyse der gewonnen Daten zeigt: Der Himmel ist voller Erden.

Kubas und seine Kollegen vom Institut d’Astrophysique de Paris haben sechs Jahre lang die Helligkeit von mehreren Millionen Sternen überwacht, um Informationen über die Verteilung von Planeten zu gewinnen. Das Anfang des Jahres veröffentlichte Ergebnis des Forscherteams: Im Mittel besitzt jeder Stern in der Milchstraße mindestens einen Planeten. 62 Prozent der Sterne werden von einer „Super-Erde“ mit der fünf- bis zehnfachen Masse der Erde umkreist, 52 Prozent von einem kühlen, neptunähnlichen Planeten mit der 10- bis 30-fachen Erdmasse und 17 Prozent von einem großen, jupiterähnlichen Planeten. Kleinere Planeten kommen also im Gegensatz zu früheren Vermutungen deutlich häufiger vor als große. Und die Daten lassen nach Ansicht von Kubas vermuten, dass erdähnliche Planeten - die unterhalb der Nachweisgrenze des verwendeten Verfahrens lagen - sogar noch häufiger sind als Super-Erden.

Auf eine überraschend große Zahl von Planeten mit der ein- bis zehnfachen Masse der Erde stießen auch Astronomen der Europäischen Südsternwarte ESO. Die Wissenschaftler hatten bei 102 roten Zwergsternen nach Planeten gesucht und die Ergebnisse auf die Milchstraße hochgerechnet: Etwa 60 Milliarden Super-Erden umkreisen danach rote Zwerge innerhalb der lebensfreundlichen Zone. In dieser Zone herrschen auf einem Planeten Oberflächentemperaturen, die die Existenz von flüssigem Wasser erlauben – Voraussetzung für Leben, wie wir es kennen.

Projektleiter Xavier Bonfils betont allerdings, dass die Existenz von erdähnlichen Planeten in der lebensfreundlichen Zone nicht automatisch auch die Existenz von Leben bedeute: Da die Zwergsterne viel schwächer leuchten als die Sonne, liege diese Zone entsprechend näher an dem Stern. Das führt dazu, dass die Planeten eine gebundene Rotation zeigen, dem Stern also stets die gleiche Seite zuwenden – eine eher ungünstige Situation für die Entstehung von Leben. Zudem zeigen rote Zwerge häufig starke Strahlungsausbrüche, die die Planeten starker lebensfeindlicher Ultraviolett- und Röntgenstrahlung aussetzen.

Doch ebenso wie die Beobachtungen von Kubas und seinem Team zeigt auch die Arbeit der ESO-Astronomen, dass Planeten – gerade auch kleine Planeten – nicht selten, sondern eher die Norm sind. Durch ihre kürzeren Umlaufzeiten lassen sich Planeten in der lebensfreundlichen Zone bei roten Zwergen schneller nachweisen als bei größeren Sternen. Gut möglich, dass sich auch dieser Trend bei weiteren Beobachtungen zu den sonnenähnlichen Sternen hin fortsetzt.

Das lassen auch jüngst im Fachblatt „Nature“ von Lars Buchhave vom Niels-Bohr-Institut in Kopenhagen und seinen Kollegen veröffentlichte Beobachtungen vermuten. Die Forscher hatten 152 Planetensysteme mit insgesamt 226 Begleitern mit Durchmessern bis zum Vierfachen der Erde untersucht. Dabei zeigte sich, dass kleinere Planeten wie unsere Erde auch bei Sternen vorhanden sind, die einen deutlich kleineren Anteil an schweren Elementen enthalten als unsere Sonne. Ein überraschendes Ergebnis, das wiederum im Gegensatz zu den bisherigen Erwartungen der Astronomen steht.

„Die Häufigkeit der chemischen Elemente in der äußeren Atmosphäre von Sternen ähnlich unserer Sonne liefert uns eine Art Aufzeichnung der Zusammensetzung der ursprünglichen protoplanetarischen Scheibe“, erläutert Buchhave. In einer solchen rotierenden Scheibe entstehen durch die langsame Verdichtung der Materie die Planeten eines Sterns. Frühere Analysen hatten ein erwartetes Ergebnis gezeigt: Je mehr schwere Elemente in der Atmosphäre eines Sterns vorhanden sind, desto mehr große Planeten gibt es bei ihm. Bislang war jedoch unklar, ob dieser Zusammenhang auch für kleine, erdähnliche Planeten gilt.

Das tut er nicht, wie die Analyse von Buchhave und seinen Kollegen nun zeigt. Im Mittel besitzen die Sterne zwar die gleiche Häufigkeit an schweren Elementen wie unsere Sonne, kleinere Planeten gibt es aber auch noch bei Sternen mit bis zu einem Viertel dieser Häufigkeit. Das bedeutet, dass solche felsigen Planeten nicht nur häufiger vorkommen könnten, sondern auch früher in der kosmischen Geschichte entstehen konnten als bislang angenommen.

Die für die Planetenentstehung notwendigen Elemente sind nicht bereits beim Urknall entstanden, sondern erst im Laufe der Zeit durch Kernfusion in Sternen. Der Anteil an solchen Stoffen ist also im Verlauf der kosmischen Geschichte immer weiter angestiegen. Die Beobachtungen von Buchhave und seinem Team zeigen, dass es möglicherweise schon wenige Milliarden Jahre nach dem Urknall felsige Planeten und damit vielleicht auch Leben im Kosmos gegeben haben könnte.

 

Lebensspuren und galaktische Reisen

Künftige Weltraumteleskope könnten einen direkten Nachweis von Leben auf fernen Planeten möglich machen. Biologische Prozesse verändern die Atmosphäre eines Planeten – sie gerät aus dem chemischen Gleichgewicht. So könnte ein hoher Sauerstoffanteil wie bei der irdischen Lufthülle ein Zeichen für eine belebte Welt sein. Vielleicht können die Astronomen in einigen Jahrzehnten sogar intelligentes Leben auf einer fernen Welt nachweisen - wenn nämlich die Außerirdischen genau wie wir Erdenmenschen ihre Atmosphäre mit künstlich erzeugten Giftstoffen verschmutzen und diese Giftstoffe ihre Spuren in der Strahlung des Planeten hinterlassen.

Reisen zu solchen bewohnten Welten – oder Besuche von dort – bleiben dagegen wohl für immer Utopie. Denn solche Reisen verschlingen nicht nur Unmengen an Energie, es dauert auch Jahrhunderte, die unvorstellbaren Entfernungen zu überwinden. Und schon die Tatsache, dass es vermutlich eine gewaltige Zahl lebensfreundlicher Planeten in der Milchstraße gibt, aber keinerlei Anzeichen für fortschrittliche, interstellare Raumfahrt betreibende Zivilisationen, spricht für die Unüberwindlichkeit des Raumes zwischen den Sternen.

Bildquelle: ESO