Astronomen auf der Spur rätselhafter „extremer Streu-Ereignisse“ in unserer Milchstraße

Epping (Australien) - Seit 30 Jahren rätseln Astronomen, was die Strahlung von Quasaren hin und wieder flackern lässt. Mit einer neuen Methode kommen australische Forscher den „extremen Streu-Ereignissen“ jetzt erstmals genauer auf die Spur. Am 5. Juni 2014 ertappte das Team einen Quasar „in flagranti“ und konnte so dieses Streu-Ereignis mit zahlreichen Teleskopen bei unterschiedlichen Wellenlängen beobachten. Eine seltsame Verdichtung im interstellaren Gas unserer Milchstraße wirkt, so zeigt die Auswertung der Messungen, wie eine Zerstreuungslinse auf die Quasarstrahlung und lässt sie so flackern. Die Methode sollte künftig viele weitere extreme Streu-Ereignisse aufspüren und damit genauere Informationen über Form und Struktur dieser Gas-Klumpen liefern, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Science“.

„Das könnte unser Bild vom interstellaren Gas radikal verändern“, sagt Keith Bannister von der australischen Forschungsorganisation CSIRO. „Dieses Gas ist das Recycling-Depot der Milchstraße, es stammt von alten Sternen und aus ihm entstehen neue Sterne.“ Möglicherweise sei das Gas sehr viel ungleichmäßiger im All verteilt, als bislang angenommen. Die Verdichtungen, die extreme Streu-ereignisse bei Quasaren auslösen, könnten zudem einen signifikanten Anteil der Masse der Galaxis ausmachen.

Quasare sind supermassive Schwarze Löcher im Zentrum weit entfernter Galaxien. Sie erzeugen durch den Einfall von Materie gewaltige Mengen an Strahlung in allen Wellenlängenbereichen. Zwar kann die Strahlung von Quasaren durch Unregelmäßigkeiten beim Materieeinfall schwanken. Doch vor 30 Jahren stießen Astronomen im Radiobereich erstmals auf Strahlungsänderungen bei Quasaren, die sich damit nicht erklären lassen – ihre Ursache muss vielmehr in unserer Milchstraße liegen. Verdichtungen im ionisierten interstellaren Gas gerieten bei den Astronomen sofort als Verursachen in Verdacht. Bis heute ist allerdings unklar, wie solche Verdichtungen – in ihnen müsste der Druck tausendmal höher sein als im normalen interstellaren Gas – stabil genug sein könne, um das Phänomen der Streu-Ereignisse zu produzieren.

„Der Schlüssel zum Verständnis dieser Ereignisse ist ihre Beobachtung in Echtzeit“, konstatieren Bannister und seine Kollegen, und daran habe es bisher gemangelt, da sich die Streu-Ereignisse nicht vorhersagen lassen. Deshalb entwickelten die Forscher ein Verfahren, das die Ereignisse schnell anhand des Radiospektrums eines Quasars identifiziert. Rund eintausend aktive Galaxienkerne überwacht das Team seit April 2014 mit dem Australia Telescope Compact Array – und bereits nach zwei Monaten ging ihnen beim Quasar PKS 1939-315 ein Streu-Ereignis ins Netz. Die Astronomen konnten das Flackern sofort mit weiteren Instrumenten – darunter das Very Long Baseline Array in den USA und das acht Meter große Gemini South Telescope in Chile – beobachten.

Die Messungen der Forscher bestätigen, dass eine Verdichtung im interstellaren Gas die Ursache ist. Die Temperatur des Gas-Klumpens schätzen Bannister und seine Kollegen auf 3000 Kelvin, der Druck ist etwa 2000-mal höher als im typischen interstellaren Gas. Über die Form der Verdichtung liefern die Beobachtungen weniger Informationen. Allerdings komme eine einfache kugelförmige Verdichtung nicht infrage – es müsse sich vielmehr um eine kugelschalen- oder röhrenförmige Struktur handeln. Für die Zukunft hofft das Team, dass die als Linse agierenden Gas-Klumpen auch Mehrfachbilder von Quasaren erzeugen. Diese könnten mit Hilfe der Very Long Baseline Interferometrie – einer Zusammenschaltung großer Radioteleskope überall auf der Welt – beobachtbar sein und dann Aufschluss über die genaue Form der Verdichtungen im interstellaren Gas geben.

Bildquelle: Alex Cherney