Röntgenstrahlung verrät Überreste massereicher Sterne

Im Zentrum unserer Milchstraße tummeln sich in einem Umkreis von gerade einmal 3,26 Lichtjahren mehrere Tausend Schwarze Löcher. Zu diesem Schluss kommt ein Astronomenteam aus den USA und Chile nach der Auswertung von Archivdaten des Röntgensatelliten Chandra. Die Forscher identifizierten Strahlungsausbrüche von zwölf Schwarzen Löchern, die Doppelsysteme mit normalen Sternen bilden. Hochgerechnet müssten sich demnach in dieser Region 300 bis 500 solcher Doppelsterne und 10.000 isolierte Schwarze Löcher befinden, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature“.

Im Zentrum der Milchstraße befindet sich – wie bei allen Galaxien – ein supermassereiches Schwarzes Loch. Aus der Dynamik der Sternbewegungen in Galaxien ergibt sich, dass sich um solche großen Schwarzen Löcher viele kleinere Schwarze Löcher ansammeln sollten – Überreste großer Sterne, die nach dem Verbrauch ihres nuklearen Brennstoffvorrats kollabiert sind. „Die Theorie sagt bis zu 20.000 solcher stellarer Schwarzen Löcher im zentralen Parsec der Milchstraße voraus“, erläutern Charles Hailey von der Columbia University in den USA und seine Kollegen. Als Parsec bezeichnen Astronomen eine Entfernung von 3,26 Lichtjahren. „Doch bislang konnte in dieser Region keine Überhäufigkeit von Schwarzen Löchern nachgewiesen werden.“

Denn die meisten stellaren Schwarzen Löcher sind „ruhig“, senden also keine auffällige Strahlung aus. Einzig Schwarze Löcher, auf die Materie von einem zweiten Stern einfällt, verraten sich durch sporadische Ausbrüche von Röntgenstrahlung. Doch gut nachweisbare, energiereiche Röntgenausbrüche sind selten – nur alle paar hundert Jahre wäre einer aus dem Milchstraßenzentrum zu erwarten. Hailey und seine Kollegen haben deshalb in den Archivdaten des Röntgensatelliten Chandra nach Spuren von Schwarzen Löchern in Doppelsystemen in ihrer ruhigen Phase gesucht – denn auch dann stoßen sie ab und an, wenn auch schwächer, Röntgenstrahlung aus.

Das Team wurde fündig: Insgesamt zwölf Objekte spürten die Forscher in den Chandra-Daten auf, deren Röntgenstrahlung charakteristisch für Schwarze Löcher in Doppelsystemen ist. Aus den Eigenschaften der Röntgenstrahlung und der räumlichen Verteilung dieser Objekte schließen Hailey und seine Kollegen auf insgesamt 300 bis 500 Schwarze Löcher in Doppelsystemen und darüber hinaus auf 10.000 isolierte stellare Schwarze Löcher in dieser Zentralregion der Milchstraße.

„Damit bestätigen unsere Ergebnisse die theoretischen Vorhersagen“, stellt Hailey fest. „Die Milchstraße ist die einzige Galaxie, bei der wir beobachten können, wie kleine Schwarze Löcher mit dem großen, zentralen Schwarzen Loch wechselwirken. Damit erhalten wir beispielsweise Informationen über die Art von Gravitationswellen, die von diesen Schwarzen Löchern erzeugt werden.“ Das galaktische Zentrum werde für die Forscher damit zu einer Art Labor für die Erforschung Schwarzer Löcher.

Bildquelle: C. J. Hailey et al. / NPG