Computermodelle erklären seltsame Struktur in der Atmosphäre des Planeten

Heftige Aufwinde an einer Hochgebirgsregion beeinflussen die Rotation der Venus – allerdings nur um wenige Minuten. Das zeigen Computersimulationen der atmosphärischen Strömungen durch ein Forscher-Trio aus den USA und Frankreich. Der Effekt könnte – wenigstens zum Teil – Diskrepanzen zwischen Messungen der Venus-Rotation durch verschiedene Raumsonden erklären. Und eine genauere Untersuchung des Phänomens könnte künftig Informationen über den inneren Aufbau des Planeten liefern, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature Geoscience“.

Eine der größten Überraschungen bei der Erforschung der Venus war in jüngerer Zeit die Entdeckung einer 10.000 Kilometer langen, bogenförmigen Struktur in der Hochatmosphäre des Planeten durch die japanische Raumsonde Akatsuki. Der seltsame Bogen ist stationär, verankert an der Hochgebirgsregion Aphrodite Terra. Offenbar handelt es sich um eine atmosphärische Welle, ausgelöst durch Aufwinde an dem Gebirge, wie man sie auch von der Erde her kennt – allerdings in viel kleinerem Maßstab. „Die rätselhafte enorme Ausdehnung dieser Störung ist etwa, was wir niemals zuvor in einer planetarischen Atmosphäre gesehen haben“, schreiben Thomas Navarro und Gerald Schubert von der University of California in Los Angeles, sowie Sébastien Lebonnois von der Universität Sorbonne in Paris.

Die drei Forscher präsentieren jetzt neue Strömungsmodelle, mit denen sich erstmals die Entstehung der planetenweiten atmosphärischen Welle reproduzieren lässt. Die Schwierigkeit dabei war, so erläutert das Team, eine geeignete Anpassung der Auflösung des numerischen Verfahrens zu finden: „Wir simulieren eine Welle, die viel größer, deren Ursachen aber kleiner als das Auflösungsvermögen sind.“ Die Simulationen zeigen, dass die Welle sich am Nachmittag eines Venus-Tags heraus bildet, ausgelöst durch tageszeitlich bedingte Schwankungen des Atmosphärendrucks.

Die Venus ist etwa so groß wie die Erde, besitzt jedoch eine ungewöhnliche Rotation: Sie dreht sich „retrograd“, entgegen der üblichen Richtung im Sonnensystem. Für eine volle Umdrehung benötigt der Planet 243 Erdentage. Ein Sonnentag auf der Venus ist durch die Bewegung des Planeten auf seiner Bahn um die Sonne mit 117 Erdentagen deutlich kürzer. Die sehr dichte Atmosphäre der Venus zeigt eine „Superrotation“, sie fegt mit knapp 400 Kilometern pro Stunde um den Planeten, was einer Rotationsdauer von nur vier Erdentagen entspricht. Diese extremen Strömungen führen zur Ausbildung der bogenförmigen Struktur an der Aphrodite Terra.

Die mit der Bildung der atmosphärischen Welle einhergehenden Dichteschwankungen verändern zugleich das Trägheitsmoment der Venus und damit ihre Rotationsgeschwindigkeit, wie die Simulationen von Navarro, Schubert und Lebonnois zeigen. Diese Änderungen entsprechen einer Änderung der Tageslänge um etwa zwei Minuten. „Die Wechselwirkung zwischen Planetenkörper und Atmosphäre könnte damit einen Teil der Differenzen erklären, die zwischen den Messungen verschiedener Raumsonden in den vergangenen 40 Jahren bestehen“, so die Forscher.

Diese Unterschiede betragen zwar bis zu sieben Minuten. Aber man müsse das Computermodell ohnehin weiterentwickeln, um die Gezeitenwirkung der Sonne und die thermischen Gezeiten zu berücksichtigen, so die Planetenforscher. Auch weitere, höher aufgelöste Beobachtungen des Phänomens seien wünschenswert: Ein gutes Verständnis des zugrundeliegenden Mechanismus könnte eine Bestimmung des Trägheitsmoments der Venus möglich machen – und damit Informationen über ihren inneren Aufbau liefern.

Bildquelle: JAXA