Gaia-Daten und kosmologische Simulationen liefern Informationen über die galaktische Evolution

Die Entwicklung unserer Milchstraße wurde entscheidend durch eine gewaltige kosmische Katastrophe geprägt: Vor zehn Milliarden Jahren stieß die Ur-Galaxis mit einer weiteren Galaxie zusammen, die etwa ein Viertel der Masse der Milchstraße enthielt. Durch diese Kollision und die anschließende Verschmelzung erhielt die Milchstraße ihre heutige Struktur. Das zeigt die Kombination von Daten des Astrometrie-Satelliten Gaia mit kosmologischen Computer-Simulationen durch ein Forscherteam aus Italien, Frankreich und Spanien. Die kleinere Galaxie lieferte auch das Gas, aus dem die meisten Sterne in der heutigen galaktischen Scheibe der Milchstraße entstanden sind, schreiben die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature Astronomy“.

„Um die Entstehung und die Entwicklung einer Galaxie zu verstehen, müssen wir genaue Informationen über das Alter ihrer Sterne besitzen“, erläutern Carme Gallart vom Institut für Astrophysik auf der kanarischen Insel Teneriffa und ihre Kollegen. Doch um die Altersverteilung der Sterne zu ermitteln, müssen wiederum ihre Entfernungen genau bekannt sein. Genau diese Daten hat nun Gaia geliefert, der Astrometrie-Satellit der europäischen Weltraumorganisation Esa. Gaia misst seit 2014 die genauen Positionen, Helligkeiten und Farben von über einer Milliarde Sternen in unserer Milchstraße.

Die Milchstraße besteht – vereinfacht dargestellt – aus einer Scheibe mit einer Verdickung in der Mitte, in der sich hautsächlich jüngere Sterne befinden, sowie einem ausgedehnten Halo aus älteren Sternen, in den die Scheibe eingebettet ist. Im Halo gibt es zwei unterschiedliche Gruppen von Sternen, die sich in ihrer Farbe unterscheiden. Seit langem sehen die Astronomen darin einen Hinweis auf eine Verschmelzung der Milchstraße mit einer anderen Galaxie – doch eine Datierung dieses Ereignis war bislang nicht möglich.

Gallart und ihren Kollegen ist dies nun mithilfe der von Gaia gelieferten, genauen Entfernungen der Sterne, sowie Computer-Simulationen der Entstehung von Scheiben-Galaxien durch Kollisionen gelungen. Die Analysen des Forscherteams zeigen, dass der Zusammenstoß mit der „Gaia-Enceladus“ genannten Galaxie vor zehn Milliarden stattfand. Diese Galaxie enthielt aufgrund ihrer geringeren Masse weniger schwere Elemente. Deshalb unterscheiden sich die Sterne, die ursprünglich aus der Ur-Galaxis und aus Gaia-Enceladus stammen, voneinander – und eben dieser Unterschied zeigt sich noch heute in den Farben der Sterne im galaktischen Halo: Eher rötliche Sterne stammen aus der ursprünglichen Milchstraße, die bläulichen Sterne dagegen aus Gaia-Enceladus.

Bildquelle: ESA