Physikalisches Modell erkennt bevorstehende Eruptionen

Sonneneruptionen und damit verbundene koronale Massenauswürfe können – wenn sie auf die Magnetosphäre der Erde treffen – schwerwiegende Folgen haben: Störungen der Telekommunikation, Satelliten-Abstürze und großräumigen Stromausfälle. Doch bislang ist die Vorhersage solcher Eruptionen schwierig und ungenau. Das könnte sich nun ändern: Ein Forscherteam aus Japan hat ein neues physikalisches Modell entwickelt, das bevorstehende Eruptionen und Massenauswürfe bis zu 24 Stunden im Voraus erkennt. Die Wissenschaftler haben ihr Modell erfolgreich anhand von Beobachtungsdaten des US-amerikanischen Forschungssatelliten „Solar Dynamics Observatory“ SDO getestet, wie sie im Fachblatt „Science“ berichten.

„Die genauen Mechanismen, die Sonneneruptionen auslösen und antreiben, sind bislang nicht bekannt“, erläutern Kanya Kusano von der Universität Nagoya und seine Kollegen. „Das erschwert die Vorhersage dieser Ereignisse. Sie basiert bislang überwiegend auf empirischen Methoden.“ Das bedeutet: Da Eruptionen zumeist bei großen Sonnenfleckengruppen auftauchen, gehen die Sonnenforscher davon aus, dass Sonnenflecken, bei denen es bereits Eruptionen gegeben hat, auch weitere Eruptionen produzieren. Das ist jedoch höchst ungenau und kann zudem nicht vorhersagen, welche Fleckengruppen aktiv werden – und wann ihre Aktivität endet.

Auslöser für solare Eruptionen ist, soviel wissen die Sonnenforscher heute, eine lokale Umstrukturierung des Magnetfelds – die „magnetische Rekonnektion“ –, durch die große Mengen an magnetischer Energie in Bewegungsenergie umgewandelt werden. Kusano und seinen Kollegen gelang es jetzt offenbar, den Beginn dieses Prozesses anhand von Magnetfeldmessungen zu identifizieren: Unmittelbar an der Oberfläche der Sonne kommt es zunächst zu minimalen „Rekonnektionen“, die eine sich selbst verstärkende magnetohydrodynamische Instabilität mit sich immer weiter ausbreitenden Umstrukturierungen des Magnetfelds einleiten.

Das Team testete sein Modell anhand von aktiven Regionen auf der Sonne, die vom SDO zwischen 2008 und 2019 beobachtet wurden. Es gelang ihnen, die meisten der aufgetretenen Sonneneruptionen mit einer Vorlaufzeit zwischen einer und 24 Stunden korrekt vorherzusagen – und zwar nicht nur Ort und Zeitpunkt des Ausbruchs, sondern auch die Richtung des Massenauswurfs und die Menge an dabei freigesetzter Energie. Lediglich zwei große Eruptionen gingen den Forscher durch die Lappen – bei beiden handelte es sich allerdings lediglich um starke Ausbrüche von Röntgenstrahlung, die nicht mit Massenauswürfen verbunden waren. Kusano und seine Kollegen zeigen sich daher zufrieden: „Unser Verfahren sagt auf physikalischer Grundlage Sonneneruptionen auf der Basis von Magnetfelddaten voraus – unabhängig von der vorherigen Aktivität einer Region.“

Bildquelle: Nasa/SDO