Astronomen beobachten erstmals Entstehung ungewöhnlicher Planetenbahnen

In unserem Sonnensystem ziehen die Planeten ihre nahezu kreisförmigen Bahnen schön ordentlich in einer Ebene. Das ist nicht immer so: Insbesondere bei Mehrfachsternen können die Umlaufbahnen von Planeten stark elliptisch, gegeneinander gekippt und sogar gegenläufig sein. Warum das so ist, war bislang unter Experten umstritten. Jetzt hat ein internationales Forscherteam mithilfe langjähriger Beobachtungen bei dem 1300 Lichtjahre entfernten, jungen Dreifachstern GW Orionis erstmal ein theoretisch vorgesagtes Phänomen beobachtet, dass zu Entstehung ungewöhnlicher Planetenbahnen führen kann: Die Verzerrung und Aufspaltung der protoplanetaren Scheibe aus Gas und Staub in einzelne, gegeneinander geneigte Komponenten. Die Wissenschaftler berichten im Fachblatt „Science“ über ihre Beobachtungen.

Sterne und Planeten entstehen durch den Kollaps großer Wolken aus Gas und Staub. Während sich im Zentrum der dichter und heißer werdenden Wolke ein oder mehrere Sterne bilden, formt sich um diese Zentralsterne herum eine flache Materiescheibe. In dieser protoplanetaren Scheibe verdichten sich Gas und Staub zu immer größeren Körpern und schließlich zu Planeten – die dann entsprechend ihre Bahnen in der Ebene der ursprünglichen Scheibe ziehen. Steht im Zentrum nur ein einzelner Stern, so bleibt die Scheibe in dieser Entstehungsphase ungestört. Mehrere Sterne können jedoch mit ihren variierenden Anziehungskräften die Scheibe stören, verformen und sogar in mehrere Ringe auseinanderreißen.

Genau das haben Stefan Kraus von der University of Exeter in Großbritannien und seine Kollegen bei GW Orionis mit dem Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte ESO und dem internationalen Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array ALMA beobachtet. „Unsere Aufnahmen zeigen einen extremen Fall, bei dem die Scheibe keineswegs eben, sondern stark deformiert ist“, erläutert Kraus. „Darüber hinaus sehen wir einen von der Scheibe abgetrennten, stark geneigten Ring.“ Dieser Ring befindet sich näher an den drei Sternen als der Rest der Scheibe, ist also den Einflüssen der Sterne stärker ausgesetzt.

Die Messungen der Forscher zeigen, dass der innere Ring etwa das Dreißigfache der Erdmasse an Staub enthält – genug also, um mehrere Planeten zu bilden. „Planeten, die innerhalb dieses gekippten Rings entstehen, haben dann stark geneigte Umlaufbahnen“, sagt Team-Mitglied Alexander Kreplin, ebenfalls von der University of Exeter. Insgesamt hat das Team GW Orionis elf Jahre lang beobachtet, um die Umlaufbahnen genau zu bestimmen. So konnten die Forscher die Entstehung der protoplanetaren Scheibe, sowie ihre Verformung und Aufspaltung mithilfe von Computer-Simulationen nachvollziehen. Das Team folgert, dass es in Mehrfachsystemen eine große Zahl bislang unentdeckter Planeten auf ungewöhnlichen Umlaufbahnen gibt. Künftige Großteleskope, wie das im Bau befindliche „Extremely Large Telescope“ der ESO, könnten solche Planeten aufspüren.

Bildquelle: Kraus et al., 2020; NRAO/AUI/NSF