Aber kein Hinweis auf einen weiteren großen Planeten

Es ist gewissermaßen ein Abfallprodukt: Im Rahmen eines Projekts zur Untersuchung der geheimnisvollen Dunklen Energie sind Astronomen auf 461 neue Himmelskörper im Kuipergürtel jenseits des Planeten Neptun gestoßen. Dazu haben sie die im Verlauf von sechs Jahren gesammelten Daten des „Dark Energy Survey“ mit modernen Methoden wie etwa dem maschinellen Lernen ausgewertet. Wie die Wissenschaftler auf der Online-Plattform ArXiv berichten, finden sich in den Daten jedoch keine Hinweise auf einen weiteren großen Planeten im äußeren Sonnensystem.

Im Zeitraum von 2013 bis 2019 hat das vier Meter große Blanco-Teleskop am Cerro Tololo Inter-American Observatory in Chile mit einer Spezialkamera mehr als hundert Millionen Galaxien, Supernovae und großräumige kosmologische Strukturen wie Galaxienhaufen und Filamente beobachtet. Ziel dieses „Dark Energy Surveys“ war es, Änderungen der Expansionsrate des Kosmos zu messen, um daraus neue Erkenntnisse über die Dunkle Energie zu gewinnen. So bezeichnen die Astrophysiker eine bislang mysteriöse Komponente des Universums, die zu einer Beschleunigung der kosmischen Expansion führt. Dazu hat die Kamera mit 74 CCDs und fünf optischen Filtern insgesamt 5000 Quadratgrad am südlichen Himmel beobachtet. Das entspricht etwa einem Achtel des gesamten Himmels.

„Doch wenn man Aufnahmen des Himmels macht, sieht man nicht nur das, was man sehen möchte, sondern auch Objekte, die sich zufällig in derselben Region des Himmels aufhalten, aber uns viel näher sind“, erklärt Pedro Bernardinelli von der University of Washington in den USA. „Wir finden auf den Bildern alles Mögliche von Flugzeugen über Asteroiden bis hin zu Transneptun-Objekten.“

Und insbesondere die Objekte aus der Region jenseits von Neptun sind für die Astronomen nicht einfach lästiger Datenmüll, sondern eine Art Bonus: Sie können den Forschern nämlich wichtige Einblicke in die Entstehungsgeschichte unseres Sonnensystems liefern. Zudem ist bislang unklar, ob es dort draußen vielleicht weitere große Planeten gibt, die bislang unentdeckt ihre Bahn ziehen. Verbesserte Methoden des „data mining“ und insbesondere das Verfahren des maschinellen Lernens können daher, so betonen Bernardinelli und seine Kollegen, dabei helfen, mehr aus bereits vorhandenen Beobachtungsdaten herauszuholen.

Mit ihrer Entdeckung von 461 neuen Objekten jenseits des Neptun liefern die Forscher des „Dark Energy Survey“ dafür jetzt den Beleg. Die neuen Himmelsköper sind zwischen 30- und 500-mal weiter von der Sonne entfernt als unsere Erde. Eine Analyse der ersten vier Beobachtungsjahre hatte bereits 316 Transneptun-Objekte aufgespürt. Mit verbesserten Methoden und zwei weiteren Beobachtungsjahren konnten Bernardinelli und seine Kollegen die Gesamtzahl damit auf 777 erhöhen – das sind etwa zwanzig Prozent aller bekannten Himmelskörper in dieser Region.

Aus der Verteilung der Umlaufbahnen der Transneptun-Objekte ziehen die Wissenschaftler bereits einen ersten Schluss auf die Frühgeschichte des Sonnensystems: Offenbar ist Neptun in dieser Zeit langsam nach außen in seine heutige Position gewandert und hat dabei viele kleinere Objekte nach außen geschleudert. In den Daten findet sich zudem kein Hinweis auf einen größeren Planeten, der die Bahnen der kleineren Transneptun-Objekte stören würde. „Wir finden kein entsprechendes Signal in den Daten“, so Bernardinelli, „allerdings können wir die Existenz eines solchen Planeten nicht mit Sicherheit ausschließen.“ Dazu seien weitere Daten und eine möglichst lückenlose Erfassung der Himmelskörper jenseits von Neptun nötig.

Bildquelle: Dark Energy Survey