Astronomen sind dem Rätsel der verlöschenden Sternentstehung auf der Spur

Vor knapp einem Jahrzehnt stießen Astronomen auf ein seltsames Phänomen: Bei etwa der Hälfte aller großen Galaxien im jungen Kosmos kommt die rasante Entstehung von Sternen etwa drei Milliarden Jahre nach dem Urknall ganz plötzlich zum Erliegen. Beobachtungen eines internationalen Forscherteams mit dem Weltraumteleskop Hubble und der großen Radioteleskop-Anlage ALMA in Chile haben den Himmelsforschern jetzt erste Hinweise auf die Ursache für dieses Verlöschen geliefert: Den Galaxien geht offenbar das Gas aus, das sie für die Produktion neuer Sterne benötigen. Was zu diesem Mangel führt, bleibe allerdings mysteriös, da es in der Umgebung der Sternsysteme reichlich Gas gäbe, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature“.

„Die größten Galaxien im Kosmos haben ihre Sterne nach dem Urknall in bemerkenswert kurzer Zeit produziert“, erklärt Kate Whitaker von der University of Massachusetts in den USA, „jeweils etwa hundert Milliarden Sterne in einer Milliarde Jahren.“ Das sei kein Wunder, so die Forscherin, denn damals war der Rohstoff für die Bildung von Sternen - Wasserstoff-Gas – reichlich vorhanden. Durch diese geradezu explosionsartige Sternentstehung leuchten die Galaxien hell auf und sind selbst über viele Milliarden Lichtjahre hinweg mit irdischen Teleskopen gut zu beobachten.

Umso überraschter waren die Astronomen, als sie auf große Galaxien im jungen Kosmos stießen, die nur schwach leuchten – und in denen demnach kaum noch neue Sterne entstehen. Ursprünglich dachten die Himmelsforscher, ein unbekannter Effekt habe in diesen Systemen die Sternentstehung sozusagen ausgeblasen. „Doch das ist nicht korrekt“, so Whitaker. „Unsere Beobachtungen zeigen, dass den Galaxien vielmehr der Nachschub ausgeht.“ Die verloschenen Galaxien enthalten hundert Mal weniger Wasserstoff-Gas als vergleichbare Systeme mit rasanter Sternentstehung.

Um den verloschen – und damit leuchtschwachen – Galaxien auf die Spur zu kommen, griffen Whitaker und ihre Kollegen nicht nur auf große Teleskope zurück, sondern machten sich zusätzlich ein natürliches Phänomen zunutze: die Vergrößerung der Galaxien durch eine Gravitationslinse. Ein zwischen den weit entfernten Galaxien und der Erde liegender Galaxienhaufen lenkt dabei deren Licht ab. „Der Galaxienhaufen wirkt also wie ein natürliches Teleskop“, erläutert Team-Mitglied Justin Spilker von der University of Texas. „Dadurch erscheinen die verloschenen Galaxien größer und heller – und dadurch können wir sehen, was in ihnen vorgeht.“

Insgesamt sechs verloschene Galaxien hat das Team mit Hubble und ALMA beobachtet – in allen Fällen mit demselben Ergebnis: Die Galaxien enthalten fast kein Wasserstoff-Gas mehr. Und ohne dieses Gas können keine neuen Sterne mehr entstehen. Warum kein Gas aus der Umgebung der Galaxien nachströmt – wie es bei anderen großen Galaxien der Fall ist – bleibt allerdings eine offene Frage. Vielleicht, so spekulieren die Forscher, verhindern supermassereiche Schwarze Löcher in den Zentren der Galaxien mit ihrer Strahlung den Zustrom neuen Gases. Sie hoffen, mithilfe weiterer Beobachtungen durch Gravitationslinsen hindurch die physikalischen Prozesse zu entlarven, die zum Erlöschen der Galaxien führen.

Bildquelle: ALMA (ESO/NAOJ/NRAO)/S. Dagnello (NRAO), STScI, K. Whitaker et al