Simulationen zeigen: Schweifstern hat gute Chancen, den nahen Vorübergang an der Sonne zu überstehen

Flagstaff / Boulder (USA) - Die Erwartungen sind hoch: Im Dezember soll der „Jahrhundertkomet“ ISON für ein aufsehenerregendes Spektakel am Abendhimmel sorgen. Doch ob der Schweifstern tatsächlich ein mit bloßen Augen auffälliges Objekt wird, hängt – unter anderem – davon ab, ob er seinen nahen Vorübergang an der Sonne am 28. November heil übersteht. Computersimulationen unter Berücksichtigung aller über ISON angesammelten Daten machen Hoffnung: Es sei unwahrscheinlich, dass der Komet bei seinem heißen Rendezvous zerbricht, so zwei US-Astronomen im Fachblatt „Astrophysical Letters“. Und wenn doch, so bliebe mindestens ein ausreichend großes Bruchstück übrig, um immer noch für ein interessantes Himmelsschauspiel zu sorgen.

Es ist eine feurige Begegnung: In 1,9 Millionen Kilometern Entfernung rast der erstmalig in das innere Sonnensystem eindringende Himmelsköper an der Sonne vorbei. Das entspricht einem Achtzigstel des mittleren Abstands der Erde von der Sonne. Zwei Gefahren drohen dem Kometen dabei: Zum einen kann die starke Strahlung der Sonne so viel seiner Materie verdampfen, dass er auseinanderfällt. Zum anderen zerrt die Schwerkraft unseres Zentralgestirns so stark an dem kleinen Körper, dass er zerreißen kann. Ob der Komet diese Gefahren übersteht, hängt von seiner Größe und Form, von Richtung und Geschwindigkeit seiner Rotation und von seiner Materiedichte ab.

„Wenn ISON einen typischen Radius von einem Kilometer, eine Dichte von 0,5 Gramm pro Kubikzentimetern und eine Rotationsperiode von 24 Stunden hat, ist es sehr wahrscheinlich, dass er die Begegnung überlebt“, schreiben Metthew Knight vom Lowell Observatory in Flagstaff und Kevin Walsh vom Southwest Research Institute in Boulder. Die beiden Forscher haben den Vorbeiflug an der Sonne mit einer großen Zahl unterschiedlicher Werte in Computersimulationen durchgespielt. Nur im unwahrscheinlichen Fall, dass der Komet kleiner als 200 Meter ist, drohe ihm die Auflösung durch Verdampfen, so das Forscher-Duo.

Ob die Schwerkraft der Sonne den Kometen zerreißt, hängt stark von seiner Rotation ab. Zwar deuten Messungen auf eine sehr langsame Drehung hin, die zudem gegen die übliche Drehrichtung im Sonnensystem orientiert ist. Das würde ISON vollends auf die sichere Seite bringen. Doch die Beobachtungen sind mit großen Unsicherheiten behaftet. Zudem kann sich die Rotation in Sonnennähe erheblich beschleunigen. Völlig ausschließen können Knight und Walsh daher einen Zerfall des Kometen nicht. „Auch in einem solchen Fall wäre jedoch zumindest eines der Fragmente groß genug, um einem völligen Verdampfen zu entgehen“, so die Wissenschaftler.

Bildquelle: Nasa/Esa