Der Planet als Ganzes kühlt ab – während sein Südpol wärmer wird

Die Atmosphäre des Planeten Neptun verhält sich anders als von den Astronomen erwartet: Ihre Temperatur hat sich über wenige Jahre hinweg ungewöhnlich stark geändert. Das zeigt die Auswertung von über einen Zeitraum von 17 Jahren gesammelten Beobachtungsdaten durch ein internationales Forscherteam. Während der achte und damit äußerste Planet unseres Sonnensystems global um acht Grad abkühlte, stieg die Temperatur am Südpol gegen diesen Trend um elf Grad an. Eine Erklärung für diese Temperaturänderungen gebe es bislang nicht, doch sie könnten durch die Aktivität der Sonne beeinflusst sein, schreiben die Wissenschaftler im Fachblatt „Planetary Science Journal“.

„Die beobachteten Änderungen kamen für uns völlig unerwartet“, erläutert Michael Roman von der University of Leicester in Großbritannien. „Unsere Beobachtungen decken den Beginn des Sommers auf der Südhalbkugel Neptuns ab. Deshalb haben wir mit einer langsamen Erwärmung des Planeten gerechnet, nicht mit einer Abkühlung.“

Neptun umkreist die Sonne in einem Abstand von etwa 4,5 Milliarden Kilometern. Zum Vergleich: Die Erde ist 150 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt. Entsprechend kühler ist der achte Planet: Seine Oberflächentemperatur liegt im Durchschnitt bei minus 220 Grad Celsius. Gleichwohl rechneten die Astronomen mit jahreszeitlichen Änderungen, denn wie bei der Erde ist auch die Rotationsachse Neptuns gegen seine Bahnebene gekippt. Es ist diese Neigung – bei der Erde beträgt sie 23,5 Grad, bei Neptun 28,3 Grad – und nicht etwa die Änderung des Abstands von der Sonne, die zur Entstehung von Jahreszeiten führt.

Zeigt der Nordpol der Erde Richtung Sonne, so ist auf der Nordhalbkugel Sommer – und ebenso ist es beim Neptun. Da die Umlaufzeit des achten Planeten 165 Erdjahre beträgt, dauern die Jahreszeiten dort allerdings entsprechend länger, nämlich jeweils etwa 40 Jahre. Im Jahr 2005, noch am Beginn der Beobachtungsreihe, begann auf der südlichen Halbkugel gerade der Sommer. „Aber unsere Daten überdecken gerade einmal die Hälfte der Jahreszeit, daher haben wir nicht mit starken Änderungen gerechnet“, sagt Glenn Orton vom Jet Propulsion Laboratory in den USA.

Die Forscher verwendeten für ihre Analyse Beobachtungen im Infrarot-Bereich – denn Infrarot-Strahlung ist Wärmestrahlung: Je wärmer ein Himmelskörper ist, desto mehr infrarotes Licht sendet er aus. Die Daten aus den Jahren 2003 bis 2020 stammen von einer ganzen Reihe von Großteleskopen auf der Erde, unter anderem dem Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte ESO in Chile und dem großen Keck-Teleskop auf Hawaii, sowie dem Weltraumteleskop Spitzer der Nasa.

Und obwohl gerade der Sommer einsetzte, kühlte sich Neptun global von 2003 bis 2018 um acht Grad ab. Noch überraschender war jedoch ein plötzlicher Temperaturanstieg um 11 Grad am Südpol des Planeten zwischen 2018 und 2020. Zwar war seit langem bekannt, dass es am Südpol des Planeten einen atmosphärischen Wirbel gibt, der wärmer als der Rest des Planeten ist – doch einen derart schnellen Temperaturanstieg hatten die Astronomen dort noch nie beobachtet,

Nun rätseln die Planetenforscher, was die Ursache für die überraschenden Änderungen der Temperatur sein könnte. Handelt es sich um zufällige Wetteränderungen, die unabhängig von den Jahreszeiten sind? Oder ändert sich vielleicht jahreszeitlich bedingt die Chemie in der Atmosphäre des Planeten und verstärkt damit Temperaturschwankungen? Eine weitere Möglichkeit wäre ein Einfluss der Sonnenaktivität auf die Atmosphäre des Planeten. Tatsächlich zeigen die Daten einen leichten Zusammenhang zwischen der Temperatur der Neptun-Atmosphäre und der Zahl der Sonnenflecken. Mit weiteren Beobachtungen über die kommenden Jahre hoffen die Planetenforscher, der Ursache der Temperaturänderungen auf Neptun auf die Spur zu kommen.

Bildquelle: Michael Roman/NASA/JPL/Voyager-ISS/Justin Cowart