Erstes Foto des Schwarzen Lochs im galaktischen Zentrum

Wie fotografiert man ein Objekt, das von Natur aus unsichtbar ist? Vor diesem Problem stehen Astronomen seit den ersten theoretischen Spekulationen über „Schwarze Löcher“ – Objekte, deren Schwerkraft so gewaltig ist, dass nicht einmal Licht aus ihnen entkommen kann. Die Antwort: Man fotografiere nicht das unsichtbare Objekt selbst, sondern seine unmittelbare Umgebung – und mache es so als dunkles „Loch“ im Bild sichtbar. Jetzt ist es einem internationalen Forscherteam erstmals gelungen, ein solches Foto vom Schwarzen Loch im Mittelpunkt unserer Milchstraße aufzunehmen. Ein Vergleich mit Computermodellen zeige unter anderem, dass das Schwarze Loch rotiert, berichten die Wissenschaftler in einer Sonderausgabe des Fachblatts „Astrophysical Journal Letters“.

Um tief in das Herz der Milchstraße zu schauen, kombinierten die Astronomen die Beobachtungen von acht über den ganzen Globus verteilten Radio-Sternwarten miteinander, darunter die 30 Meter große IRAM-Antenne in der spanischen Sierra Nevada und das aus 66 Einzelantennen bestehende internationale ALMA-Observatorium in Chile. Gemeinsam bilden die acht Radio-Sternwarten das „Ereignishorizont-Teleskop“ EHT. Als Ereignishorizont bezeichnen Wissenschaftler die Grenze um ein Schwarzes Loch, hinter die sich nicht blicken lässt – denn aus dem Bereich dahinter kann nichts, nicht einmal Licht, entkommen.

Nach jahrelanger Vorarbeit konnten die EHT-Forscher – insgesamt 80 Institute mit 300 Wissenschaftlern sind an dem Projekt beteiligt – im Jahr 2017 erste Beobachtungen mit dem Teleskop-Netzwerk durchführen. Mit Erfolg: Nach langer und komplizierter Auswertung der Daten präsentierte das Team 2019 das erste Foto eines Schwarzen Lochs – oder genauer: seiner unmittelbaren Umgebung. Das Bild zeigt einen leuchtenden Ring um das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum der 55 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie M87. Die Masse des Schwarzen Lochs ist gewaltig: Es entspricht der Masse von 6,5 Milliarden Sonnen.

Aber die Forscher hatten die vielen Radioantennen des EHT im April 2017 nicht nur auf diese ferne Galaxie, sondern auch auf das mit 27.000 Lichtjahren viel näher liegende Zentrum der Milchstraße gerichtet, in dem sich ebenfalls ein massereiches Schwarzes Loch befindet. Doch obwohl dieses Objekt der Erde viel näher ist, erwies sich die Auswertung der Beobachtungsdaten als weitaus schwieriger. „Die Strahlung des Schwarzen Lochs von M87 ist über Stunden hinweg konstant“, erläutert Anton Zensus vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie, einer der Haupt-Initiatoren des EHT-Projekts. „Das Objekt im galaktischen Zentrum dagegen verändert sich schon im Verlauf weniger Minuten. Wir mussten deshalb völlig neue Methoden für die Auswertung entwickeln.“

Fünf Jahre nach den Beobachtungen können die Astronomen jetzt endlich das Ergebnis präsentieren – das erste Foto vom Schwarzen Loch im Zentrum der Milchstraße. Wie bei M87 zeigt sich auch hier ein leuchtender Ring um einen dunklen Kern. Diesen dunklen Bereich bezeichnen die Forscher als „Schatten“ des Schwarzen Lochs – er ist etwa doppelt so groß wie der eigentliche Ereignishorizont, weil das Licht durch die starke Gravitation um das Schwarze Loch herum gelenkt wird und somit sowohl Vorder- als auch Rückseite des Objekts zu sehen sind.

Bei dem leuchtenden Ring handelt es sich um aufgeheiztes Gas, das um das Schwarze Loch herumwirbelt, die so genannte Akkretionsscheibe. Die Gravitation zwingt auch die von diesem Gas ausgehende Strahlung auf gekrümmte Bahnen und sorgt so für einen verzerrten Blick auf die Umgebung des Schwarzen Lochs. Mithilfe von Computermodellen verglichen die Wissenschaftler ihre Beobachtungen mit den Vorhersagen der Allgemeinen Relativitätstheorie Albert Einsteins über Schwarze Löcher: Das erhaltene Foto ist in sehr guter Übereinstimmung mit der erwarteten Verzerrung für ein Schwarzes Loch mit der viermillionenfachen Masse der Sonne.

Dieser Wert stimmt gut überein mit früheren Messungen auf der Basis der Bewegung von Sternen in der Umgebung des Schwarzen Lochs. Und der genaue Vergleich mit unterschiedlichen Modellen erlaubt noch weitere Schlussfolgerungen. „Am besten passen die Modelle, die eine Rotation des Schwarzen Lochs annehmen“, sagt Karl Schuster vom Institut für Millimeterwellen-Radioastronomie in Frankreich. „Außerdem scheint die Rotationsachse des Schwarzen Lochs mehr oder weniger in Richtung Erde geneigt zu sein“, so der Forscher weiter. Das sei ungewöhnlich, weil es nicht mit der Drehachse der Milchstraße übereinstimme.

Für die EHT-Forscher ist das Foto des galaktischen Zentrums ein großer Erfolg, gleichwohl aber auch nur ein erster Schritt: „Es zeigt uns, dass unsere Methode funktioniert“, so Zensus. Für die Zukunft hofft der Forscher auf die Erweiterung des EHT-Netzes – möglichst auch durch Antennen im Weltall. Denn damit ließen sich dann Bilder mit noch einmal erheblich größerer Auflösung erzielen – und, so die Hoffnung, ganz neue Erkenntnisse über die physikalischen Vorgänge in der unmittelbaren Umgebung supermassereicher Schwarzer Löcher gewinnen.

Bildquelle: EHT Coll.