Astronomen entdecken zufällig dünne Gasströmung außerhalb einer jungen Galaxie – und bestätigen damit theoretische Vorhersagen
In die 12,2 Milliarden Lichtjahre entfernte Galaxie 4C 41.17 strömt von außen kaltes Gas hinein – und treibt dort so die Entstehung neuer Sterne an. Das zeigen Beobachtungen eines internationalen Forschungsteams mit dem großen Radio-Interferometer ALMA in Chile. Der Prozess könne die gegenwärtige Entstehungsrate von 250 Sternen pro Jahr über einen Zeitraum von 500 Millionen Jahren aufrechterhalten, berichten die Wissenschaftler im Fachblatt „Science“.
„Das Wachstum von Galaxien im jungen Universum wird hauptsächlich durch den Zustrom von intergalaktischem Gas angetrieben“, erläutern Bjorn Emonts vom National Radio Astronomy Observatory in den USA und seine Kollegen. „Computersimulationen deuten darauf hin, dass stetige Ströme aus kaltem Gas die Halos um die Galaxien durchdringen und so das Rohmaterial für die Entstehung neuer Sterne liefern.“ Doch der Nachweis von solchen kalten Gasströmen ist schwierig – sie bestehen hauptsächlich aus Wasserstoff, der bei niedrigen Temperaturen keine nachweisbare Strahlung aussendet.
Astronomen verwenden daher zumeist andere Elemente wie beispielsweise Kohlenstoff, um kühles Gas aufzuspüren. Kohlenstoff kommt zwar im Vergleich zu Wasserstoff nur in geringen Mengen vor, verrät sich aber im Bereich von Millimeter-Wellen. Emonts und seine Kollegen wollten die Verteilung von kaltem Gas innerhalb von 4C 41.17 untersuchen, in dem sie die Intensität der Strahlung von Kohlenstoff mit ALMA gemessen haben. Doch dabei stießen sie überraschend auf Strahlung aus einer Region außerhalb der Galaxie: Dort gibt es offenbar ein dünnes Filament aus kaltem Gas, das bis zu 326.000 Lichtjahre weit aus der Galaxie herausragt.
Das Team hat ALMA in einer ungewöhnlichen Konfiguration mit zwar geringerer Auflösung, aber dafür höherer Empfindlichkeit genutzt. Vermutlich sei man nur deshalb auf den Zustrom von kalten Gas gestoßen, so die Wissenschaftler. Die genaue Analyse der ALMA-Daten zeigt, dass sich das Gas in dem Filament mit mehreren hundert Kilometern pro Sekunde auf die Galaxie zu bewegt. Insgesamt, so schätzen die Forscher, transportiert die Strömung pro Jahr etwa das 450-fache der Sonnenmasse an Gas in das Innere von 4C 41.17 hinein. Emonts und seine Kollegen sehen darin eine Bestätigung der theoretischen Vorhersagen: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass das Rohmaterial für die Sternentstehung durch kosmische Strömungen außerhalb der Galaxien geliefert wird.“
Es ist allerdings nicht der erste Nachweis eines solchen kühlen Zustroms von Gas. Bereits vor zwei Jahren stieß ein anderes Team bei einer 11,4 Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxie auf ein ähnliches Phänomen. In diesem Fall half jedoch die Strahlung von zwei weiter entfernten Objekten – so genannten Quasaren – bei der Entdeckung. Denn das Gas absorbiert einen Teil der Quasar-Strahlung und verrät sich auf diese Weise. Doch eine solche Konstellation ist extrem selten – von 70.000 durch das Team untersuchten Galaxien besaß nur dieses eine geeignete Objekte im Hintergrund.
Im Gegensatz dazu sollte sich das Verfahren von Emonts und seinen Kollegen bei sehr vielen Galaxien anwenden lassen. In einem begleitenden Kommentar weist die Astrophysikerin Caitlin Casey von der University of Texas darauf hin, dass die Wissenschaftler „die Physik solcher Ströme bislang noch nicht richtig verstehen.“ Was beispielsweise hält die Filamente aus kaltem Gas zusammen? Um Antworten darauf zu finden, seien weitere Beobachtungen bei einer Vielzahl von Galaxien nötig – und dafür haben Emonts und sein Team jetzt die Grundlage geschaffen.
Bildquelle: B. Emonts (NRAO/AUI/NSF)