Windgeschwindigkeit in der Hochatmosphäre ist in sechs Jahren von 300 auf 400 km/h angestiegen
Moskau (Russland) - Die Geschwindigkeit der ohnehin schon rasend schnellen Winde in der Atmosphäre unseres Nachbarplaneten Venus nimmt immer weiter zu. Das zeigen Messungen der Wolkenbewegungen mit den Messinstrumenten der europäischen Sonde Venus Express. Von 2006 bis 2012 sei die Windgeschwindigkeit in einer Höhe von 70 Kilometern von 300 auf 400 km/h angestiegen, berichtet ein internationales Forscherteam im Fachblatt „Icarus“. Eine Erklärung für diesen Anstieg gibt es bislang nicht.
„Das ist ein gewaltiger Anstieg der ohnehin hohen Windgeschwindigkeiten“, sagt Igor Khatuntsev vom Institut für Weltraumforschung in Moskau. Die Planetenforscher sprechen von einer „Superrotation“ der Venus-Atmosphäre: Während der Planet 243 Erdtage für eine Drehung um sich selbst benötigt, jagen die Wolken in nur vier Tagen einmal um die Venus herum. Die Ursache dieser rasanten Windströmung ist bislang unbekannt – und die Entdeckung der Zunahme der Windgeschwindigkeit vergrößert das Rätsel nun noch.
Die Venus besitzt zwar eine ähnliche Größe wie die Erde, ist aber in eine dichte, stets wolkenverhangene Atmosphäre eingehüllt. Im sichtbaren Licht ist die Wolkenhülle strukturlos weiß. Doch im ultravioletten Licht – sowie in geringerem Ausmaß auch im Bereich der infraroten Strahlung – können die Forscher Wolkenstrukturen ausmachen und so deren Bewegung in der Atmosphäre verfolgen. Anfangs haben Khatuntsev und seine Kollegen die von Venus Express gelieferten Bilder von Hand ausgewertet. Über 45.000 Wolkenstrukturen haben die Wissenschaftler so mühsam verfolgt. Dann entwickelten sie ein automatisches Verfahren, um per Computer die Bewegungen auf den digitalisierten Bildern zu verfolgen. Diese Methode lieferte Khatuntsev und seinen Kollegen die Geschwindigkeiten von über 350.000 Wolkenstrukturen.
Neben der mysteriösen Zunahme der mittleren Windgeschwindigkeit in der Hochatmosphäre stießen die Forscher auf eine regelmäßige Zu- und Abnahme der Windgeschwindigkeit in Äquatornähe mit einer Periode von 4,8 Tagen. Außerdem fanden Khatuntsev und sein Team starke Schwankungen um bis zu 70 km/h von Tag zu Tag. „Venus Express überrascht uns immer wieder mit ihren Beobachtungen dieses dynamischen, sich verändernden Planeten“, so Håkan Svedhem, Projektwissenschaftler für die Sonde bei der europäischen Raumfahrtbehörde ESA. „Weitere Untersuchungen der räumlichen Struktur dieser Windschwankungen sind nötig, um den Antrieb für die atmosphärische Zirkulation zu finden.“
Bildquelle: Khatuntsev et al.