Weder Staub, noch Eiskristalle, noch Polarlichter können das Phänomen erklären
Bilbao (Spanien) - Sie reichen bis zu 250 Kilometer hoch - und widersprechen allen Vorstellungen über die Atmosphäre des roten Planeten: Vor drei Jahren beobachteten Amateurastronomen zwei gewaltige Wolken über der Oberfläche des Mars. Sie zeigten starke Veränderungen innerhalb weniger Stunden und blieben jeweils über zehn Tage hinweg sichtbar. Eine einfache Erklärung für das Phänomen gibt es nicht: Die Wolken sind weder mit hoch gewirbeltem Staub, noch mit winzigen Eiskristallen in Einklang zu bringen. Und auch Polarlichter scheiden aus, so ein internationales Forscherteam im Fachblatt „Nature“.
„Alle untersuchten Erklärungen sind eine Herausforderung für unser gegenwärtiges Verständnis der Hochatmosphäre des Mars“, konstatieren Agustin Sánchez-Lavega von der Universidad del País Vasco in Bilbao und seine Kollegen. Wolken aus Staub oder Eiskristallen sind auf dem roten Planeten zwar keine Seltenheit, doch sie erreichen maximal eine Höhe von 100 Kilometern. Und auch lokalisierte Polarlicht-Erscheinungen gibt es auf unserem Nachbarplaneten, allerdings typischerweise nur in einer Höhe von 130 Kilometern.
Die beiden Riesenwolken ragten jedoch in Höhen von bis zu 250 Kilometern auf. Die erste Wolke tauchte am 12. März 2012 auf und war bis zum 23. März sichtbar. Sie erreichte eine Ausdehnung von 500 bis 1000 Kilometern über der Region Terra Cimmeria. Am 6. April bildete sich über der gleichen Region die zweite Wolke, die dann bis zum 16. April beobachtet werden konnte. Eine Suche in den Archiven des Hubble Space Telescopes und in Datenbanken von amateurastronomischen Vereinigungen in Japan und Frankreich förderte lediglich ein einziges, möglicherweise vergleichbares Phänomen am 17. März 1997 zutage. Allerdings fehlen hier weiter Beobachtungen, um die zeitliche Entwicklung zu beurteilen.
Sánchez-Lavega und seine Kollegen haben nun versucht, die Riesenwolken mit den bekannten Erscheinungen in der Mars-Atmosphäre zu erklären. Gegen Staub sprechen nicht nur die optischen Eigenschaften der Wolken. Die Theorie der Marsatmosphäre liefert auch keine Möglichkeit, Staub auf eine Höhe von über 180 Kilometern zu transportieren. Mikrometergroße Partikel aus Wassereis oder gefrorenem Kohlendioxid hätten die richtigen optischen Eigenschaften, erforderten aber einen anomalen Temperaturabfall von 50 oder gar 100 Kelvin oberhalb von 125 Kilometern. Für Polarlichter spricht zwar, dass die Erscheinungen über einer Region mit einer starken magnetischen Aktivität aufgetreten sind. Doch die Polarlichter müssten dann 1000 Mal heller sein als irdische Polarlichter. Zudem erfordern Polarlichter einen Zustrom energiereicher Teilchen von der Sonne – im März 2012 war die Sonne aber nicht ungewöhnlich aktiv. Die Riesenwolken von 2012 bleiben für die Forscher also vorerst ein ungelöstes Rätsel.
Bildquelle: UPV