Astronomen nutzen erstmals Gravitationslinseneffekt zur Massenbestimmung eines Sterns

Baltimore (USA) - Der Weiße Zwergstern Stein 2051B besitzt die 0,675-fache Masse der Sonne. Zu diesem Ergebnis gelangte ein internationales Forscherteam mithilfe extrem genauer Beobachtungen mit dem Weltraumteleskop Hubble. Überraschend ist dabei weniger das Ergebnis als die von den Astronomen verwendete Methode: Erstmals gelang es, die Masse eines Sterns anhand des von Albert Einstein vor 80 Jahren vorhergesagten Gravitationslinseneffekts zu bestimmen. Damit erhielten die Himmelsforscher ein neues Werkzeug zur Erforschung der Entwicklung von Sternen, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Science“.

„Eine der zentralen Vorhersagen der Allgemeinen Relativitätstheorie Einsteins ist die Ablenkung von Lichtstrahlen durch die Schwerkraft“, erläutern Kailash Sahu vom Space Telescope Science Institute in Baltimore in den USA und seine Kollegen. „Diese Ablenkung ist doppelt so groß wie in der klassischen Newtonschen Gravitationstheorie.“ Die Messung der Lichtablenkung anhand von Sternpositionen in der Umgebung der Sonne während der totalen Sonnenfinsternis 1919 bestätigte auf damals spektakuläre Weise die Vorhersage der Relativitätstheorie.

Knapp zwei Jahrzehnte später wies Einstein darauf hin, dass auch Sterne als „Gravitationslinsen“ wirken und so die Position und die Helligkeit von Hintergrundsternen verändern können. Allerdings hatte er keine Hoffnung, dass dieses Phänomen jemals beobachtet werden könnte. Doch hier irrte Einstein. Die rasante Entwicklung der astronomischen Instrumente führte seit den 1990er Jahren zum Nachweis einer großen Zahl solcher Gravitationslinsen-Ereignisse bei Sternen in der Milchstraße, den Magellanschen Wolken und der Andromeda-Galaxie. Allerdings konnte in allen diesen Fällen bislang nur die Helligkeitsänderung der Hintergrundsterne gemessen werden, die mit der Lichtablenkung einhergeht.

Sahu und seinen Kollegen gelang es jetzt erstmals, auch die Positionsänderung eines Hintergrundsterns beim Gravitationslinseneffekt zu messen. Dazu initiierten die Forscher zunächst eine Suche nach geeigneten Vordergrundsternen, die sich rasch am Himmel bewegen und nahe an einem Hintergrundstern vorüberziehen. Der Weiße Zwerg Stein 2051B erweis sich als geeigneter Kandidat: In den Jahren 2013 bis 2015 passierte er einen Hintergrundstern und die Forscher konnten mit dem Hubble-Teleskop dessen Positionsänderung mit hoher Genauigkeit messen.

Aus dieser Verschiebung ergibt sich für den Weißen Zwerg eine Masse von 0,675 Sonnenmassen. Für Sahu und seine Kollegen hatte das Ergebnis einen erfreulichen Nebeneffekt. Bislang nämlich war die Masse von Stein 2051B umstritten – frühere Beobachtungen seiner Bahnbewegung deuteten auf einen niedrigeren Wert von etwa 0,5 Sonnenmassen. Damit hätte der Zwergstern jedoch im Widerspruch zu theoretischen Vorhersagen für die Entwicklung Weißer Zwerge gestanden. Der nun über die Lichtablenkung gefundene Wert bringt den Weißen Zwerg wieder in Einklang mit der Theorie.

Bildquelle: NASA, ESA, A. Feild