Extrem energiereiche Teilchen stammen nicht aus dem Zentrum unserer Milchstraße – sondern aus fernen Galaxien

Wuppertal Permanent prasseln elektrisch geladene Teilchen aus dem Weltall auf die Atmosphäre der Erde. Ein Teil davon stammt von unserer Sonne. Doch insbesondere die Herkunft der energiereichsten Partikel dieser kosmischen Strahlung – vor allem Protonen, aber auch schwere Atomkerne – ist bislang ungeklärt. Messungen über mehr als zwölf Jahre mit dem Pierre Auger Observatory, einer großen Detektoranlage in Argentinien, zeigen jetzt, dass die extrem hochenergetische kosmische Strahlung ihren Ursprung außerhalb unserer Milchstraße hat, also aus weit entfernten Galaxien stammt. Die Ergebnisse widerlegen insbesondere die bislang von vielen Forscher favorisierte These, die extrem energiereichen Teilchen würden aus der Umgebung des supermassereichen Schwarzen Lochs im galaktischen Zentrum stammen, so das Auger-Team im Fachblatt „Science“.

„Wir nähern uns damit einer Lösung des Rätsels, wo und durch welche Vorgänge diese außergewöhnlichen Teilchen entstehen – einer Frage, die für die Astrophysik von großer Bedeutung ist“, erklärt der Sprecher des Auger-Teams, Karl-Heinz Kampert von der Universität Wuppertal. Dringen die Teilchen in die Erdatmosphäre ein, so lösen sie Kaskaden sekundärer Teilchen aus, die über eine Fläche von über 40 Quadratkilometern niedergehen. Diese Teilchenschauer registriert das Pierre Auger Observatory in der argentinischen Pampa Amarilla mit 1600 Teilchendetektoren, die jeweils 1,5 Kilometer voneinander entfernt auf einem insgesamt 3000 Quadratkilometer großen Gebiet verteilt sind. Zusätzlich registrieren 24 Teleskope die von den Teilchen in der Atmosphäre angeregte Fluoreszenzstrahlung der Stickstoffmoleküle. Über 400 Forscher aus 18 Ländern beteiligen sich am Betrieb der Anlage und an der Auswertung der gesammelten Daten.

Im Zeitraum von der Inbetriebnahme des Observatoriums im Januar 2004 bis August 2016 registrierten die Detektoren 30.000 Teilchenschauern, die von kosmischen Partikeln mit einer Energie von über 8 mal 10 hoch 18 Elektronenvolt stammen – das sind acht Milliarden Milliarden Elektronenvolt, eine Acht mit 18 Nullen. Die jetzt veröffentlichte Auswertung dieser Daten zeigt, dass die extrem energiereichen Teilchen weder gleichmäßig aus allen Richtungen auf die Erde treffen, noch bevorzugt aus der Richtung des Zentrums unserer Milchstraße. Stattdessen zeigen die Ergebnisse eine Anisotropie, eine statistisch signifikante Überhäufigkeit von kosmischen Partikeln aus einer Richtung, die um 90 Grad vom galaktischen Zentrum entfernt ist.

Da die Häufung auch außerhalb der Scheibe unserer Milchstraße liegt, sehen die Auger-Forscher die Anisotropie als Beweis für einen extragalaktischen Ursprung der extrem energiereichen kosmischen Strahlung. Die Wissenschaftler haben deshalb ihr Ergebnis mit der Verteilung der Galaxien am Himmel verglichen. Diese zeigt eine Überhäufigkeit in eine Richtung, die zwar um 55 Grad von der Häufung der kosmischen Strahlung abweicht. Doch das Magnetfeld der Milchstraße lenkt die Teilchen der kosmischen Strahlung ab – die auf der Erde beobachtete Herkunftsrichtung entspricht also nicht exakt der ursprünglichen Richtung, aus der die Teilchen kommen. Einfache Modelle des galaktischen Magnetfelds zeigen, dass dieser Effekt genau zu einer Verschiebung von der Überhäufigkeit der Galaxien zur beobachteten Überhäufigkeit der energiereichen Teilchen führt.

„Sowohl die Größe als auch die Richtung der Anisotropie sprechen also für einen extragalaktischen Ursprung der kosmischen Strahlung mit der höchsten Energie“, so die Auger-Forscher, „und gegen eine Herkunft von Quellen innerhalb der Milchstraße.“ Allerdings sei trotzdem weiterhin unklar, welche physikalischen Prozesse Teilchen mit derart hohen Energien erzeugen können.

Bildquelle: Pierre Auger Observatory