Rätsel der „großen Verdunkelung“ des Sterns Beteigeuze gelöst
Das ungewöhnliche astronomische Phänomen war selbst mit bloßen Augen zu erkennen: Im Winter 2019/2020 nahm die Helligkeit von Beteigeuze im Sternbild Orion für mehrere Wochen um bis zu zwei Dritteln ab. Viele Astronomen sahen darin ein Indiz für eine baldige Explosion des Sterns als Supernova. Doch jetzt von einem internationalen Forscherteam ausgewertete und publizierte Beobachtungen mit dem Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte liefern eine profanere Erklärung der „großen Verdunkelung“ von Beteigeuze. Ausgelöst durch einen großen kühlen Fleck hatte sich ein Staubschleier vor dem Stern gebildet, wie die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature“ berichten.
„Unsere Beobachtungen zeigen, dass die große Verdunkelung kein Hinweis auf eine bevorstehende Explosion von Beteigeuze als Supernova ist“, schreiben Miguel Montargés von der Sternwarte Paris und seine Kollegen. Beteigeuze ist ein roter Riesenstern – ein massereicher Stern, der sich am Ende seiner Lebens erheblich aufgebläht hat: Er ist etwa 900-mal größer als unsere Sonne. In dieser Phase geben Sterne viel Gas an ihre Umgebung ab und explodieren schließlich als Supernova – wobei ein Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch zurück bleibt.
Für die Astronomen wäre es eine Sensation, eine Supernova in unserer Milchstraße zu beobachten – die letzte Gelegenheit dazu gab es im Jahr 1604, noch vor der Erfindung des Fernrohrs. Deshalb waren die Himmelsforscher von der überraschenden Helligkeitsabnahme Beteigeuzes elektrisiert, denn theoretische Modelle sagen ein solches Phänomen unmittelbar vor der Explosion voraus. Mit einer Entfernung von nur 724 Lichtjahren ist Beteigeuze einer von wenigen Sternen, bei denen Astronomen mit großen Fernrohren sogar Einzelheiten auf der Oberfläche erkennen können.
Die Beobachtungen von Montargés und seinen Kollegen mit dem Very Large Telescope in Chile zeigen, wie sich Ende 2019 auf der südlichen Hälfte von Beteigeuze ein kühler – und damit dunkler – Fleck ausbreitet. Um bis zu 500 Grad nahm die Temperatur der Sternoberfläche, die normalerweise bei etwa 4000 Grad Celsius liegt, ab. Dabei nahm der dunkle Fleck bis zu vier Fünftel des im Fernrohr sichtbaren Sternscheibchens ein. „Zum ersten Mal sehen wir, wie sich das Erscheinungsbild eines Sterns über einen Zeitraum von Wochen veränderte“, freut sich Montargés.
Das Forscherteam vermutet, dass der kühle, dunkle Fleck lediglich die Begleiterscheinung eines großen Materieauswurfs des Sterns ist. Und durch die Abkühlung der Oberfläche konnte dann ein Teil der ausgestoßenen Materie zu Staub kondensieren. Es sei also die Kombination aus einem großen kühlen Fleck auf der Sternoberfläche und einem daraus resultierenden Staubschleier, die für die große Verdunkelung von Beteigeuze verantwortlich ist, so Montargés und seine Kollegen. Ein Hinweis auf eine bevorstehende Explosion des Sterns war die Helligkeitsabnahme demnach nicht. Gleichwohl geben die Forscher keine Entwarnung, dafür sei über diese letzte Phase der Sternentwicklung zu wenig bekannt: „Obwohl das gegenwärtige Verhalten von Beteigeuze also kein Vorbote seines Untergangs ist, bleibt es möglich, dass der Stern ohne Vorwarnung explodiert.“
Bildquelle: ESO/M. Montargès et al.