Wagemutige Unternehmer machen Reisen ins All auch für normale Bürger möglich – bei ausreichender Liquidität. Private Flüge zur Internationalen Raumstation sind schon fast Routine. Hotels in der Erdumlaufbahn und selbst Ausflüge zum Mond könnten in wenigen Jahren Realität sein.
Die bemannte Raumfahrt steht vor einem Umbruch. Was einst die Domäne staatlicher Raumfahrtbehörden war, geht mit großen Schritten in die Hände privatwirtschaftlicher Unternehmen über. Früher waren Raumfahrer Helden: Nerven wie Drahtseile, absolute körperliche Fitness, Todesmut, langjährige Flugerfahrung. Doch schon im kommenden Jahr könnte sich die Grenze zum Weltall für ganz normale Menschen öffnen – das nötige Kleingeld vorausgesetzt.
200.000 Euro kostet das Ticket für einen Flug mit dem SpaceShipTwo des britischen Unternehmens Virgin Galactic auf über 100 Kilometer Höhe. Das ist die offizielle Grenze zum Weltall – wer diese Grenze überschreitet, darf sich künftig Astronaut nennen. Über 530 Buchungen gibt es nach Angaben von Virgin Galactic bereits für den Kurztrip ins All, der einem immerhin sechs Minuten Schwerelosigkeit beschert. Unter den Raumfahrer-Aspiranten sind so illustre Persönlichkeiten wie Tom Hanks, Ashton Kutcher, Katy Perry, Brad Pitt und Angelina Jolie.
Ein gewaltiges Trägerflugzeug mit zwei Rümpfen und einer Spannweite von 43 Metern trägt das SpaceShipTwo auf eine Höhe von 16 Kilometern. Dort wird die bemannte Rakete ausgeklinkt, die Triebwerke zünden und bringen den Piloten und seine bis zu sechs Passagiere auf die Zielhöhe von 110 Kilometern. Das SpaceShipTwo ist eine Weiterentwicklung des legendären SpaceShipOne, mit dem der amerikanische Luft- und Raumfahrtingenieur Burt Rutan im Oktober 2004 den Ansari X-Preis gewann: Es war das erste privat gebaute, bemannte Raumfahrzeug, dass zweimal innerhalb von zwei Wochen eine Flughöhe von über 100 Kilometern erreicht hat.
Sowohl das SpaceShipOne als auch das neue, größere SpaceShipTwo sind so gebaut, dass es selbst unter ungünstigsten Bedingungen in einem automatischen, sicheren Gleitflug zur Erde zurückkehrt. „Es ist etwa so sicher wie die frühen Passagierflugzeuge der 1920er Jahre“, versichert Rutan.
Wer noch etwas tiefer in die Tasche greifen mag (und kann), für den kommt ein ein- bis zweiwöchiger Aufenthalt an Bord der Internationalen Raumstation ISS infrage. Solche Reisen hat das amerikanische Touristik-Unternehmen Space Adventures im Angebot – der Preis liegt zwischen 20 bis 50 Millionen Euro. Bereits sechs Männer und eine Frau haben sich die kosmische Erlebnisreise gegönnt, einer davon – der in die USA emigrierte Ungar Charles Simonyi – sogar zweimal.
Der Flug ins All erfolgt mit russischen Sojus-Raketen. Das Arbeitspferd der früher sowjetischen, heute russischen Raumfahrt ist seit 1967 im Einsatz, wurde stetig verbessert und gilt als das verlässlichste und sicherste Transportmittel ins All. Allerdings gibt es hier gegenwärtig einen Engpass: Da die US-Amerikaner ihre Space Shuttles eingemottet haben, werden derzeit alle Plätze an Bord der Sojus-Flüge für den halbjährlichen Austausch der ISS-Besatzungen benötigt. Der nächste Touristenflug findet voraussichtlich 2015 statt, und er ist bereits für die britische Sängerin Sarah Brightman reserviert.
Bis dahin sollte der Engpass in der bemannten Raumfahrt behoben sein und es wieder weitere Flugmöglichkeiten in den Erdorbit geben. Nach dem Ende der Shuttle-Flüge startete die amerikanische Raumfahrtbehörde 2006 die COTS-Initiative, ein Programm zum Transport von Ausrüstungen, Gütern und Besatzungen zur ISS mit Hilfe von privatwirtschaftlichen Unternehmen. Die Abkürzung COTS steht für „Commercial Orbital Transportation Services“, also kommerzielle Transportdienste in die Erdumlaufbahn. Statt wie bisher Raketen und Kapseln von Unternehmen zu kaufen, will die Nasa die von Privatanbietern finanzierten und betriebenen Raumfahrzeuge nur noch mieten.
Aus dem ursprünglich als Lückenbüßer gedachten Projekt ist inzwischen eine neue Philosophie geworden: Die Raumfahrtbehörde soll sich künftig vorrangig um Forschung und Erkundung kümmern und dabei vermehrt auf eine kommerzielle Infrastruktur zurückgreifen. Von ursprünglich über zwanzig Unternehmen, die sich 2006 auf die Ausschreibung der Nasa beworben haben, sind heute nur noch zwei im Rennen: SpaceX und die Orbital Sciences Corporation. Am 22. Mai vergangenen Jahres machte sich erstmals ein privater Weltraumfrachter auf den Weg zur Internationalen Raumstation ISS. Die von SpaceX entwickelte „Dragon“-Kapsel soll künftig zumindest teilweise die Versorgung der ISS übernehmen. Zwölf Versorgungsflüge hat die amerikanische Raumfahrtbehörde Nasa bereits bei SpaceX fest geordert. Und die Pläne des vom Software-Milliardär Elon Musk gegründeten Unternehmens reichen noch weiter: Schon ab 2015 könnte eine modifizierte Kapsel, genannt DragonRider, bis zu sieben Astronauten zur Raumstation oder von dort zur Erde befördern.
Beim Konkurrenzunternehmen Orbital Sciences ist man noch nicht ganz so weit. Die dort entwickelte Trägerrakete Antares wartet noch auf ihren ersten Flug, der gegenwärtig für den Mai dieses Jahres geplant ist. Doch bei Orbital gibt man sich optimistisch, dass nach einem weiteren Demonstrationsflug mit der Frachtkapsel „Cygnus“ ein erster Versorgungsflug zur ISS bereits im dritten Quartal dieses Jahres stattfinden kann. Die Nasa hat bei Orbital Sciences bereits acht weitere Versorgungsflüge gebucht. Und auch bei Orbital denkt man darüber nach, die Cygnus-Kapsel langfristig für eine Beförderung von Astronauten aufzurüsten.
Die Unternehmer wittern ein lohnendes Geschäft, denn der Bedarf an Raumfahrzeugen für bemannte Flüge ins All könnte schon bald erheblich ansteigen. Zumindest, wenn die Pläne des vielfachen Milliardärs Robert Bigelow aus Las Vegas, Eigentümer der Hotelkette „Budget Suites of America“, in Erfüllung gehen. Mit einem Startkapital von 500 Millionen Dollar schuf er 1999 das Unternehmen „Bigelow Aerospace“, dessen Expertenteams damit begannen, Blaupausen für private Weltraumstationen und Weltraumhotels zu entwerfen. Was 1999 noch als weltfremde Utopie belächelt wurde, steht inzwischen kurz vor der Realisierung.
Bigelow erwarb von der Nasa die Patente für „aufblasbare Habitate“, ein von der Weltraumorganisation Ende der 1990er Jahre aufgrund von Budget-Kürzungen aufgegebenes Konzept. Diese Weltraumunterkünfte besitzen zwanzig Zentimeter dicke Hüllen aus vielen Schichten spezieller Kunstfasern wie beispielsweise Kevlar, die vor Einschlägen kleiner Meteoriten und Weltraummüll schützen. Da die Habitate vergleichsweise leicht sind und sich erst im All entfalten, sind die Transportkosten erheblich geringer als bei herkömmlichen Metallkonstruktionen – zudem bieten sie deutlich mehr nutzbaren Innenraum.
Dass diese Technik funktioniert, demonstrierte Bigelow Aerospace 2006 und 2007 mit dem Start von Genesis 1 und 2, zweier kleiner, jeweils 11,5 Kubikmeter großer Habitate. Ironie der Geschichte: Die erfolgreichen Tests überzeugten sogar die Nasa, die Anfang Januar ein 16 Kubikmeter großes Habitat von Bigelow orderte – es soll von 2015 an für mindestens zwei Jahre an die ISS angekoppelt werden. Die erste vollständig private Raumstation soll nach Bigelows Vorstellungen ab Ende 2016 die Erde umkreisen und aus zwei jeweils 330 Kubikmeter großen Modulen bestehen. Der Unternehmer setzt dabei nicht nur auf Touristen, sondern hofft auch auf Interesse aus Industrie und Forschung. Die exklusive Nutzung eines 110 Kubikmeter großen Teils der Station für einen Zeitraum von zwei Monaten soll 25 Millionen US-Dollar kosten. Aber Bigelows Träume enden nicht in der Umlaufbahn um die Erde. Die Wissenschaftler und Techniker seines Unternehmens entwickeln bereits Pläne, aufblasbare Module zum Mond zu transportieren und auch dort eine Station zu errichten. Die Habitate könnten mit feinem Mondstaub bedeckt und so gegen Temperaturschwankungen isoliert und vor Strahlung und dem Einschlag kleiner Meteoriten geschützt werden.
Auch Space Adventures richtet bereits den Blick auf den Erdtrabanten. Eine modifizierte russische Sojus-Kapsel könnte, so die Überlegung, ausgestattet mit einer in der Erdumlaufbahn angedockten, zusätzlichen Antriebsstufe zwei Touristen eine Reise zum Mond ermöglichen. Das Raumschiff soll dabei nicht in einen Orbit um den Mond einschwenken, sondern lediglich auf einer achtförmigen Bahn um den Mond herum und wieder zur Erde zurück fliegen. 150 Millionen Dollar soll diese Reise pro Person kosten – und im Januar 2011 gab der Gründer des Weltraumtouristik-Unternehmens Eric Anderson bekannt, dass bereits ein Ticket verkauft sei und über den zweiten Platz an Bord der ersten, für das Jahr 2015 avisierten Mission bereits mit einem weiteren Interessenten verhandelt würde. Über die Identität der beiden Klienten sei Stillschweigen vereinbart worden, solange die Details des Fluges nicht endgültig feststehen.
Elon Musk richtet seinen Blick unterdessen sogar in noch weitere Fernen. „Ich möchte dabei helfen, die Kosten für Reisen ins All so weit zu senken, dass es uns möglich wird, auf einem anderen Planeten zu leben“, erläutert der Unternehmer, der seinen Reichtum vor allem dem Verkauf des Internet-Bezahldienstes PayPal an Ebay verdankt, sein langfristiges Ziel: Die Menschheit soll zu einer auf mehreren Planeten lebenden Spezies werden. Bei der Verwirklichung dieses Ziels soll „Falcon Heavy“ helfen, eine Rakete für schwere Lasten, die auf drei miteinander verbundenen Falcon-9-Raketen basiert.
Ein erster Start der dann stärksten Rakete der Welt – lediglich die Saturn V der Apollo-Ära war stärker - ist bereits für das kommende Jahr geplant. Mit der Falcon Heavy sichert sich Space X nicht nur den Markt für die immer größer und schwerer werdenden kommerziellen Satelliten. Die Rakete ist auch stark genug, um große Nutzlasten aus der Anziehungskraft der Erde heraus auf interplanetarische Reisen zu schicken. Das Unternehmen führt bereits Sondierungsgespräche mit der Nasa über unbemannte Forschungsmissionen zum Mars.
Die Kosten für das bemannte Dragon-System liegen voraussichtlich etwa bei einem Zwanzigstel dessen, was die derzeit von der Nasa für bemannte Flüge zum Mond und zu erdnahen Asteroiden entwickelte Orion-Kapsel kostet. Elon Musk und sein Team von Space X hoffen, auch bemannte Flüge zum Mars zu einem Bruchteil der Kosten zu ermöglichen, die von der amerikanischen Raumfahrtbehörde dafür veranschlagt werden. Damit könnte das Falcon/Dragon-System von Space X auch zum Mittel der Wahl für andere Unternehmer werden, die ihre Augen auf den roten Planeten gerichtet haben. So gründete Dennis Tito, Multimillionär und erster Tourist an Bord der ISS, im Februar dieses Jahres die Stiftung „Inspiration Mars“. Ihr Ziel ist es, bereits 2018 zwei Astronauten auf eine Rundreise zum Mars und wieder zurück zu senden. Wagemutiger ist das Konzept der Stiftung „Mars One“ des niederländischen Unternehmers Bas Lansdorp: Ab 2022 will er alle zwei Jahre vier Raumfahrer zum Mars schicken, die dort eine menschliche Kolonie gründen sollen – eine Rückkehr zur Erde ist nicht vorgesehen. Auch Elon Musk setzt darauf, dass innerhalb von 30 Jahren eine menschliche Kolonie auf dem Mars entsteht. Der heute 40 Jahre alte Unternehmer würde dort selbst gern seinen Altersruhesitz finden.
Bildquelle: Mars One