Satellitenobservatorium Planck liefert bislang bestes Bild der kosmischen Hintergrundstrahlung
Paris (Frankreich) - Das Universum entspricht nahezu perfekt den theoretischen Vorhersagen. Aber eben nur fast: Kleine Abweichungen von den Modellen könnten Hinweise auf bislang unbekannte physikalische Phänomene oder gar auf eine Epoche vor dem Urknall sein. Das zeigt die bislang genaueste Vermessung der kosmischen Hintergrundstrahlung – einer Art Echo des Urknalls – durch das europäische Satellitenobservatorium Planck. Die heute in Paris präsentierten Daten basieren auf den ersten 15,5 Monaten der im Mai 2009 gestarteten Planck-Mission.
380.000 Jahre nach dem Urknall war der Kosmos auf 3000 Grad abgekühlt und wurde schlagartig für elektromagnetische Strahlung durchsichtig. Die Expansion des Weltalls hat im Verlauf von Jahrmilliarden die Wellenlängen der damals freigesetzten Strahlung gestreckt und sie abgekühlt. Heute liegt die Temperatur dieser Hintergrundstrahlung nur noch 2,7 Grad über dem absoluten Nullpunkt. Das Strahlungsecho des Urknalls kommt nahezu gleichmäßig aus allen Richtungen zu uns. Nahezu: Es sind gerade die Abweichungen – Temperaturschwankungen im Bereich von Millionstel Grad – die für die Forscher von Interesse sind. Denn diese Schwankungen sind Spuren der ersten Materieverdichtungen, aus denen die heutigen Galaxien und Galaxienhaufen hervorgegangen sind. Und da der Ursprung der Schwankungen noch weiter zurück in der Vergangenheit liegt, Sekundenbruchteile nach dem Urknall, liefert ihre Verteilung am Himmel den Astrophysikern wertvolle Informationen über die Vorgänge in jener Epoche.
Die Planck-Daten bestätigen mit bislang unerreichter Genauigkeit das derzeitige Standard-Modell der Kosmologie. Danach macht die uns vertraute Materie nur einen kleinen Teil des Kosmos aus – eine größere Rolle spielen bislang rätselhafte Substanzen, die Dunkle Materie und die Dunkle Energie. Dunkle Materie sorgt mit ihrer Anziehungskraft dafür, dass Galaxien und Galaxienhaufen zusammenhalten und nicht auseinanderfliegen. Und Dunkle Energie ist dafür verantwortlich, dass die Expansion des Kosmos sich nicht verlangsamt – wie ursprünglich vermutet – sondern im Gegenteil beschleunigt. Planck korrigiert das bisherige Bild nur geringfügig: Nach den neuen Daten besteht das Universum zu 4,9 Prozent aus normaler Materie, zu 26,8 Prozent aus Dunkler Materie und zu 68,3 Prozent aus Dunkler Energie. Die bislang besten Werte hierfür waren 4,5, 22,7 und 72,8 Prozent. Es gibt also etwas mehr Dunkle Materie und etwas weniger Dunkle Energie, als zuvor angenommen.
Die Planck-Daten zeigen außerdem, dass das Universum sich etwas langsamer ausdehnt und damit ein klein wenig älter ist als bislang angenommen, nämlich 13,81 Milliarden statt 13,74 Milliarden Jahre. Weiterhin liefert die Verteilung der Temperaturschwankungen die bislang beste Bestätigung dafür, dass der Kosmos unmittelbar nach dem Urknall eine inflationäre Phase durchlaufen hat, in der sich der Raum rasant aufgebläht hat. Und auch für das Standardmodell der Teilchenphysiker liefert Planck eine Bestätigung. In diesem Modell gibt es drei Arten von Neutrinos, nahezu masselose Partikel, die eine wichtige Rolle bei Kernprozessen spielen. Frühere, umstrittene Beobachtungen der Hintergrundstrahlung hatten Hinweise auf die Existenz einer vierten Neutrino-Sorte geliefert. Doch das ist mit den Planck-Daten nicht mehr verträglich.
„Planck enthüllt uns also ein nahezu perfektes Universum“, fasst Jean-Jacques Dordain, Generaldirektor der Europäischen Weltraumorganisation Esa, zusammen, „aber eben nur fast perfekt.“ Denn die extrem gute Übereinstimmung mit den theoretischen Vorhersagen gilt nur bei kleinen Winkeln. Bei größeren Winkeln zeigen die Planck-Daten überraschende Abweichungen von den Modellen. So sind die Temperaturschwankungen in einem Bereich um zehn Winkelgrad deutlich schwächer als vorhergesagt. Außerdem zeigt sich in der Gesamtkarte der Hintergrundstrahlung eine verblüffende Asymmetrie: Die großräumigen Schwankungen sind auf der einen Hemisphäre deutlich stärker als auf der anderen. Hinweise auf solche Anomalien hatten bereits frühere Messungen des amerikanischen Satelliten WMAP geliefert. Doch erst die Planck-Messungen sind genau genug, um systematische Fehler als Ursache auszuschließen. „Wir müssen sie als Tatsachen hinnehmen und nach einer plausiblen Erklärung suchen“, so Planck-Forscher Paolo Natoli von der Universität Ferrara in Italien. Möglicherweise seien es erste Hinweise darauf, dass unser Kosmos Bestandteile eines größeren Multiversums ist, sagt sein Kollege George Efstathiou von der Universität Cambridge in Großbritannien, oder Überbleibsel aus einer Epoche vor dem Urknall, „doch das ist hochgradig spekulativ.“
Möglicherweise kann Planck selbst noch eine Antwort auf das Rätsel finden. Denn bislang ist erst die Hälfte der Temperatur-Messungen ausgewertet. Außerdem hat Planck nicht nur die Temperatur, sondern auch die Polarisation der Hintergrundstrahlung gemessen. Die Auswertung dieser Daten ist weitaus schwieriger, betont Efstathiou. Es wird noch einige Monate dauern, bis dazu erste verlässliche Ergebnisse vorliegen. „Wir stehen erst am Anfang unseres Unterfangens“, sagt Esa-Projektwissenschaftler Jan Tauber. „Aber wir sind zuversichtlich, dass unsere kontinuierlichen Studien der Planck-Daten weiteres Licht auf diese Rätsel werfen.“
Bildquelle: ESA