Verteilung der Materie zeigt zu wenig Dichteschwankungen

Die Materie ist im Universum nicht gleichmäßig verteilt, sie sammelt sich in Galaxienhaufen und lang gestreckten Strukturen, Filamente genannt. Doch diese Dichteschwankungen sind im heutigen Kosmos weniger stark ausgeprägt als es das kosmologischen Standardmodell vorhersagt. Zu diesem Schluss kommt ein internationales Forschungsteam nach der Auswertung von jahrelangen Beobachtungen zweier Spezialteleskope. Die gefundene Abweichung könnte ein Hinweis darauf sein, dass im derzeitigen Modell unseres Universums etwas fehle, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Physical Review D“.

„Im heutigen Universum scheint es etwas weniger Dichteschwankungen zu geben, als wir auf Basis unseres kosmologischen Standardmodells erwarten würden“, erläutert Eric Baxter von der University of Chicago, einer der beteiligten Forscher. Dieses Standardmodell beschreibt, welche Anteile an normaler Materie, Dunkler Materie und Dunkler Energie das Universum enthält, wie alt der Kosmos ist und wie schnell er sich ausdehnt. „Aber dieses Standardmodell ist im frühen Universum verankert“, betont Baxter.

Aus der genauen Verteilung der kosmischen Hintergrundstrahlung – dem Strahlungsecho des Urknalls – lassen sich die Parameter des Standardmodells bestimmen – und auch, wie ungleichmäßig die Materie im jungen Kosmos unmittelbar nach dem Urknall verteilt war. Diese ursprünglichen Dichteschwankungen lassen sich dann mithilfe von Computersimulationen auf Basis der bekannten Naturgesetze bis in die heutige Zeit hinein verfolgen. Das Ergebnis stimmt recht gut mit den Beobachtungen von Galaxienhaufen und anderen großen Strukturen überein. Doch diese Beobachtungen waren bislang weniger genau als die Messungen der Hintergrundstrahlung.

Baxter und seine Kollegen – insgesamt sind über 150 Forscher aus aller Welt an der Studie beteiligt – haben mithilfe des „Dark Energy Surveys“, einem Spezialteleskop in Chile, und dem „South Pole Telescope“, einem weiteren Spezialteleskop in der Antarktis, jetzt die bislang genaueste Vermessung der Dichteschwankungen im heutigen Kosmos vorgenommen. Dabei beobachteten sie nicht einfach, wie Galaxien am Himmel verteilt sind. Der „Dark Energy Survey“ misst vielmehr, wie stark diese Galaxien durch den Einfluss der Schwerkraft von im Vordergrund liegenden Objekten verzerrt werden. Und mithilfe des „South Pole Telescope“ beobachten die Forscher, wie sich diese Verzerrung auf die Hintergrundstrahlung auswirkt.

Denn die Schwerkraft dichterer Regionen, also etwa eines Galaxienhaufens, lenkt das Licht weiter entfernter Galaxien und auch der Hintergrundstrahlung ab. Der Galaxienhaufen wirkt dadurch wie eine unregelmäßige, verzerrende Linse. Und aus den Verzerrungen können die Astronomen dann die Verteilung der Materie in der „Gravitationslinse“ bestimmen. Der Vorteil der Methode: Sie erfasst nicht nur die in den Galaxien sichtbare Materie, sondern auch die unsichtbare Dunkle Materie.

Beide Teleskope liefern den Forschern so die bislang genauesten Daten über die Verteilung der Materie im gegenwärtigen Kosmos – und liefern unabhängig voneinander dasselbe Ergebnis: Die Dichteschwankungen sind etwas geringer, als vom Standardmodell vorhergesagt. Eine solche Abweichung könnte auf einen Fehler im Standardmodell hindeuten – eine fehlende Komponente oder eine kleine Abweichung in den Naturgesetzen, die für die Extrapolation der Dichteschwankungen im frühen Kosmos bis in die heutige Zeit angewendet werden. Allerdings müsse das Ergebnis zunächst durch weitere, unabhängige Beobachtungen bestätigt werden, so das Forscherteam vorsichtig.

Bildquelle: Andreas Papadopoulos