Analyse von 126.501 Spiralgalaxien stärkt kontroversen Beobachtungsbefund - und deutet auf ein rotierendes Universum
Southfield (USA)Das Universum ist homogen und isotrop, es sieht also im Mittel überall und in jede Richtung gleich aus. Diese Hypothese gehört zum Fundament der modernen Kosmologie. Im vergangenen Jahr kratzte der amerikanische Astronom Michael Longo an dieser Annahme: Seine Untersuchung von rund 15.000 Spiralgalaxien deutet darauf hin, dass die Sternsysteme ein bevorzugte Drehrichtung besitzen – und damit die Isotropie des Kosmos verletzen. Lior Shamir, Astrophysiker an der Lawrence Technological University im US-Bundesstaat Michigan, stärkt nun mit einer weiteren Analyse diesen bislang heftig umstrittenen Befund: Seine Untersuchung von 126.501 Spiralgalaxien – also mehr als der achtfachen Anzahl – zeigt ebenfalls eine deutliche Abweichung von einer Gleichverteilung der Rotationsachsen.
„Die Ergebnisse zeigen, dass das lokale Universum – bis zu Entfernungen von etwa 3,4 Milliarden Lichtjahren – nicht isotrop in Hinblick auf die Galaxienrotation ist“, schreibt der Forscher im Fachblatt „Physics Letters B“. „Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei dieser Asymmetrie um einen Zufall handelt, ist kleiner als 1:170.000.“ Seine Beobachtungen seien so seltsam, dass es schwierig sei, ihre Bedeutung zu interpretieren. „Ein Muster in der Struktur des Kosmos auf diese Größenordnung ist nichts, was wir erwarten würden.“
Während Longos Untersuchung auf der visuellen Inspektion von Galaxienbildern aus einer großen Himmelsdurchmusterung, dem Sloan Digital Sky Survey SDSS, basieren, hat Shamir den Prozess mit einer Mustererkennungs-Software automatisiert – nur so waren die großen Datenmengen zu bewältigen. In einem isotropen Universum sollten alle Rotationsrichtungen von Galaxien gleich häufig auftreten. Wie Longo fand jedoch auch Shamir, dass spiralförmige Sternsysteme sich in einer bestimmten Himmelsrichtung bevorzugt links herum, in der entgegengesetzten Richtung bevorzugt rechts herum drehen.
Eine mögliche Erklärung für dieses Phänomen wäre, dass das ganze Universum rotiert. Die Drehachse des Universums würde dann mit der bevorzugten Rotationsachse der Galaxien übereinstimmen. Die von Longo und Shamir gefundenen Achsen der universellen Drehung liegen allerdings um 85 Grad auseinander. Shamir betont, dass die genaue Richtung sehr viel schwieriger zu bestimmen sei als die Asymmetrie der Rotationsrichtungen. Die Abweichung sei noch im Rahmen der statistischen Fehlergrenzen. Trotzdem wird schon diese Diskrepanz dafür sorgen, dass das Ergebnis von der Fachwelt mit großer Skepsis aufgenommen wird. Erst eine Analyse mit über einer Milliarde Galaxien, wie sie mit zukünftigen Teleskopen möglich ist, kann ein statistisch robustes Resultat liefern.
Bildquelle: ESO