Objekt in Massenlücke zwischen exotischen Himmelskörpern aufgespürt
Im Kugelsternhaufen NGC 1851, etwa 40.000 Lichtjahre von der Erde entfernt, ist ein internationales Forschungsteam auf ein dunkles Himmelsobjekt mit der 2,35-fachen Masse unsere Sonne gestoßen. Da es selbst nicht leuchtet, ist es kein gewöhnlicher Stern. Doch für den Überrest eines explodierten Sterns – einen Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch – ist seine Masse ungewöhnlich: Es liegt in der „Massenlücke“ zwischen diesen exotischen Objekten. Damit sei unklar, ob es sich bei dem ungewöhnlichen Himmelskörper um einen Neutronenstern oder um ein Schwarzes Loch – oder um etwas bisher Unbekanntes – handele, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Science“.
„Jede dieser Möglichkeiten für die Natur des Objekts ist aufregend“, erläutert Benjamin Stappers von der University of Manchester, einer der Projektleiter der an der Radioteleskop-Anlage MeerKAT in Südafrika durchgeführten Beobachtungen. „Wenn es ein Schwarzes Loch ist, können wir damit die Theorie der Schwerkraft testen. Wenn es ein Neutronenstern ist, kann er uns neue Erkenntnisse in die Kernphysik bei sehr großen Dichten liefern.“
Vergeht ein großer Stern am Ende seines Lebens in einer Supernova-Explosion, so stürzt sein Inneres zusammen und es entsteht entweder ein Neutronenstern, in dem die Materie so dicht gepackt ist wie in Atomkernen, oder ein Schwarzes Loch, bei dem die Schwerkraft so stark ist, dass nicht einmal Licht entkommen kann. Neutronensternen können, so die Theorie, nicht mehr als das 2,2-fache der Sonnenmasse enthalten – sonst würde die Schwerkraft Oberhand gewinnen und ein Schwarzes Loch müsste entstehen. Doch Schwarze Löcher findet man im Kosmos erst ab etwa fünf Sonnenmassen.
Dazwischen klafft ein Lücke, die bislang für die Astronomen rätselhaft ist. Lediglich Messungen von Gravitationswellen deuten bislang darauf hin, dass es auch in dieser Massenlücke vereinzelnd Himmelskörper gibt – wobei deren Natur und Entstehung bislang ebenfalls unklar ist. Deshalb stellt die Entdeckung eines derartigen Himmelsobjekts von Stappers und seinen Kollegen für die Astronomen einen großen Fortschritt dar.
Die Forscher stießen bei Beobachtungen des Pulsars PSR J0514-4002E auf das seltsame Objekt. Ein Pulsar ist ein Neutronenstern mit einem starken Magnetfeld, der durch seine Eigendrehung regelmäßige Radiopulse zur Erde sendet – in diesem Fall 170 mal pro Sekunde. Die genaue Messung dieser Pulse zeigte den Wissenschaftlern, dass der Pulsar mit einem weiteren Objekt ein enges Doppelsystem bildet. Aus den Daten ergibt sich für dieses Objekt eine Masse zwischen 2,09 und 2,71 Sonnenmassen mit einem wahrscheinlichsten Wert von 2,35 Sonnenmassen.
Wie aber könnte sich ein solches Objekt in der Massenlücke gebildet haben? Da sich PSR J0514-2002E in einem Kugelsternhaufen befindet, vermuten Stappers und seine Kollegen eine komplizierte Entstehungsgeschichte. Denn NGC 1851 enthält etwa eine halbe Million Sterne, die sehr eng beieinander stehen. Deshalb kommt es dort häufig zu engen Begegnungen, bei denen Doppelsterne neu entstehen oder gar ihre Partner tauschen. Möglicherweise sei der exotische Begleiter des Pulsars durch die Verschmelzung zweier kleinerer Neutronensterne entstanden und erst später bei einer engen Begegnung in die Umlaufbahn um den Pulsar gelangt, so die Forscher.
Bildquelle: Daniëlle Futselaar (artsource.nl)