Astronomen sind Ursache der hochenergetischen kosmischen Strahlung auf der Spur
Woher stammen die hochenergetischen Teilchen, die ständig aus dem Weltall in die Erdatmosphäre eindringen? Eine internationale Forschungsgruppe ist einer Antwort auf diese Frage jetzt ein gutes Stück näher gekommen: Ein großer Teil dieser kosmischen Strahlung stammt offenbar von so genannten Mikro-Quasaren, engen Doppelsystemen aus einem Schwarzen Loch oder Neutronenstern und einem großen, aufgeblähten Stern. Beobachtungen des etwa 18.000 Lichtjahre entfernten Mikro-Quasars SS 433 mit der Teleskop-Anlage HESS in Namibia liefern deutliche Hinweise auf kosmische Teilchenbeschleuniger, berichten die Wissenschaftler im Fachblatt „Science“.
Quasare sind supermassereiche Schwarzer Löcher im Zentrum von Galaxien, die durch den Einfall von Gas aus der Umgebung hell leuchten. Das Gas fällt dabei nicht direkt hinein, sondern bildet eine heiße rotierende Scheibe um das Schwarze Loch. Magnetfelder lenken ein Teil der aus der Scheibe in das Schwarze Loch strömenden Materie um und bündeln sie in „Jets“, Materiestrahlen, die Zehntausende von Lichtjahren ins All hinausreichen. Ende der 1970er Jahre stießen Astronomen in der Milchstraße auf SS 433, eine Art Miniaturausgabe eines Quasars: Das System besitzt ebenfalls eine Akkretionsscheibe und Materiestrahlen, die allerdings nur einige hundert Lichtjahre weit reichen.
Diese Jets hat die internationale HESS-Kollaboration mit ihren fünf Spezialteleskopen ins Visier genommen. Die Instrumente beobachten Tscherenkow-Strahlung, die beim Eintritt von hochenergetischer Gammastrahlung – die selbst vom Erdboden aus nicht nachweisbar ist – entsteht. Wie sich zeigte, entsteht in den Jets von SS 433 Gammastrahlung mit Energien von über einem Tera-Elektronenvolt. Diese Strahlung müsse durch Elektronen mit Energie von über 200 Tera-Elektronenvolt erzeugt werden, so die Forscher.
In den von dem kompakten Objekt in SS 433 – vermutlich ein Schwarzes Loch – ausgehenden Materiestrahlen ist die Bewegungsenergie der Elektronen mit knapp 20 Kilo-Elektronenvolt jedoch viel geringer. Woher also kommt die hohe Energie der Teilchen? Eine genaue Analyse der räumlichen und energetischen Verteilung der Gammastrahlung lieferte dem Team die Lösung: Offenbar stoßen die Materiestrahlen etwa 80 bis 100 Lichtjahre vom Schwarzen Loch entfernt auf dichteres Gas. Es bilden sich Stoßwellen, die mit hoher Geschwindigkeit in das Gas vordringen.
In solchen Stoßwellen können elektrisch geladene Teilchen wie etwa Elektronen enorme Mengen an Energie aufnehmen – und damit dann auch die beobachtete Gammastrahlung produzieren. Das gilt allerdings nicht nur für Elektronen: Die Jets enthalten auch Protonen und schwerere Atomkerne, die ebenfalls in den Stoßwellen große Mengen an Energie aufnehmen können. Und damit kommen Mikro-Quasare wie SS 433 als Quelle der hochenergetischen Teilchen der kosmischen Strahlung infrage.
Die auf der Erde beobachtete kosmische Strahlung kann allerdings nicht von SS 433 stammen, wie die Forscher der HESS-Kollaboration betonen. Mit einem Alter von etwa 10.000 Jahren sei der Mikro-Quasar zu jung – die in den Jets beschleunigten Teilchen können die Erde noch gar nicht erreicht haben. Doch inzwischen kennen Astronomen eine Vielzahl ähnlicher Objekte – mit 1500 Lichtjahren ist der Mikro-Quasar V4641 Sagittarii der Erde am nächsten –, die als Quellen der energiereichen Teilchen infrage kommen.
Bildquelle: ESA, NASA, Felix Mirabel (French Atomic Energy Commission, Institute for Astronomy and Space Physics/Conicet of Argentina)