Astronomen beobachten erstmals Aktivierung eines Materiestrahls

In der fünf Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxie OJ 287 durchquert ein Schwarzes Loch regelmäßig eine wirbelnde Scheibe aus Gas um ein zweites, größeres Schwarzes Loch. Einem internationalen Forschungsteam ist es jetzt gelungen, ein acht Jahre zuvor vorhergesagtes Phänomen zu beobachten: Das von dem kleineren Schwarzen Loch mitgerissene Gas aktiviert für wenige Stunden einen stark gebündelten Materiestrahl, der das Zentrum der Galaxie hell aufleuchten lässt. Um das Ereignis zu erwischen, waren sehr genaue Modellrechnungen für das System, sowie die Zweckentfremdung eines Weltraumteleskops nötig, wie die Wissenschaftler im Fachblatt „Astrophysical Journal Letters“ berichten.

OJ 287 ist ein „Quasar“, eine Galaxie mit einer sehr hellen, punkförmigen Strahlungsquelle im Zentrum. Die intensive Strahlung solcher Quasare stammt von massereichen Schwarzen Löchern, die mit ihrer starken Schwerkraft Gas aus der Umgebung anziehen. Das Gas sammelt sich in einer rasant rotierenden Scheibe um das Schwarze Loch, heizt sich dort auf mehrere Millionen Grad auf und leuchtet deshalb hell. Von dieser „Akkretionsscheibe“ aus fällt das Gas schließlich in das Schwarze Loch hinein – allerdings nicht vollständig. Magnetfelder lenken einen Teil ab und bündeln dieses Gas in zwei enge Materiestrahlen, die viele Tausend Lichtjahre weit ins All hinaus schießen.

So ist es auch bei OJ 287 – doch hier gibt es eine weitere Besonderheit: Die Helligkeit des Quasars steigt alle zwölf Jahre stark an. Anhand historischer Aufnahmen der im Sternbild Krebs liegenden Himmelsregion konnten Astronomen diese Schwankungen sogar bis in das Jahr 1887 zurückverfolgen. Anhand hunderter von Helligkeitsmessungen lieferten der finnische Astronom Aimo Sillanpää und seine Kollegen 1988 ein Modell zur Erklärung der Helligkeitsausbrüche: Die Galaxie OJ 287 enthält in ihren Zentrum nicht nur ein, sondern gleich zwei Schwarze Löcher.

Das zentrale Schwarze Loch besitzt demnach eine Masse von 18 Milliarden Sonnenmassen und wird von einem Schwarzen Loch mit der 150-millionenfachen Sonnenmasse umkreist. Auf seiner elliptischen Umlaufbahn durchquert das kleinere Schwarze Loch alle zwölf Jahre die Akkretionsscheibe des größeren Schwarzen Lochs, reißt dabei einen Teil des Gases mit sich, verschlingt dieses Gas und verursacht so die Helligkeitsausbrüche.

Im Jahr 2014 stieß der ebenfalls finnesche Astronom Pauli Pihajoki bei Modellrechnungen des Systems auf ein weiteres Phänomen: Wenn das kleinere Schwarze Loch Materie aus der Scheibe des größeren aufnimmt, sollte auch hier ein Teil davon durch Magnetfelder gebündelt entweichen – es sollten also kurzzeitig zusätzliche Materiestrahlen auftreten und die Helligkeit noch weiter steigern. Doch in den gesammelten Helligkeitsdaten fanden sich keine Hinweise auf dieses Phänomen.

Die im Laufe der Jahre immer weiter verbesserten Modelle des Systems OJ 287 erlaubten es schließlich, das Auftreten der zusätzlichen „Jets“ – so nennen Astronomen die gebündelten Materiestrahlen – immer genauer vorherzusagen: Das nächste Mal sollte es gegen Ende des Jahres 2021 der Fall sein. Mit einem einzigen Teleskop von der Erde aus nach dem Phänomen zu suchen, wäre jedoch riskant gewesen – wenn es zum Zeitpunkt des Ereignisses dort gerade Tag gewesen wäre, hätte man es versäumt.

Einem Team um Mauri Valtonen von der Universität Turku in Finnland gelang es, ein Weltraumteleskop für die Überwachung von OJ 287 zu nutzen: TESS, eigentlich für die Suche nach Planeten bei anderen Sternen im Weltall, wurde quasi zweckentfremdet und beobachtete mehrere Wochen lang die Region um OJ 287. Und Valtonen und seine Kollegen hatten Glück: Am 12. November 2021 beobachteten die Forscher tatsächlich einen zusätzlichen Anstieg der Helligkeit des Quasars, genau wie acht Jahre zuvor von Pihajoki vorhergesagt. Ergänzende Beobachtungen mit mehreren Teleskopen auf der Erde und einem weiteren Weltraumteleskop bestätigten die Entdeckung des Teams.

Gerade einmal zwölf Stunden dauerte der Helligkeitsausbruch durch den aktivierten Materiestrahl. Und die astronomisch gesehen extrem kurze Dauer ist auch der Grund dafür, dass dieses Phänomen niemals zuvor beobachtet worden sei, so die Wissenschaftler: Die Durchsicht aller historischen Daten zeige, dass der genaue Zeitpunkt der Jet-Aktivierung stets verpasst worden ist. Dafür lasse sich jetzt sehr genau vorhersagen, wann das Phänomen das nächste Mal auftritt: im August 2033.

Bildquelle: NASA/JPL-Caltech