Das Schwarzes Loch LID-568 verschlingt mehr Materie als erlaubt – und liefert so Hinweise auf das Wachstum solcher Schwerkraft-Monster

Schwarze Löcher sind gefräßig: Mit ihrer Schwerkraft ziehen sie Gas aus der Umgebung an und verschlingen es. Ein internationales Forschungsteam hat jetzt in einer fernen Galaxie ein Schwarzes Loch aufgespürt, dass mit seinem Appetit alle bisherigen Rekorde sprengt: Es nimmt vierzig Mal mehr Materie auf als theoretisch erlaubt. Die Entdeckung könnte einen Weg aufzeigen, wie Schwarze Löcher im jungen Universum so erstaunlich rasch anwachsen konnten, schreiben die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature Astronomie“.

Das Schwarze Loch LID-568 enthält etwa die siebenmillionenfache Masse unserer Sonnen und befindet sich im Zentrum einer Galaxie, deren Licht 12,3 Milliarden Jahre zur Erde benötigt. Deshalb sehen die Astronomen die Galaxie und das darin enthaltene Schwarze Loch so, wie es vor 12,3 Milliarden Jahren, gerade einmal 1,5 Milliarden Jahre nach der Entstehung des Kosmos im Urknall, ausgesehen hat.

Die Entdeckung ist zunächst einmal nichts Ungewöhnliches: Die Himmelsforscher haben bereits zahlreiche Schwarze Löcher mit der millionen- oder gar milliardenfachen Masse unserer Sonne im jungen Kosmos aufgespürt. Diese Entdeckungen werfen jedoch eine Frage auf: Wie konnten diese Schwarzen Löcher innerhalb – astronomisch gesehen – so kurzer Zeit seit dem Urknall zu so einer Größe anwachsen?

Denn für gewöhnlich entstehen Schwarze Löcher aus Sternen: Wenn ein sehr großer Stern seinen nuklearen Energievorrat verbraucht hat, bricht er zusammen und kollabiert zu einem Schwarzen Loch. Vermutlich waren die ersten Sterne im jungen Kosmos im Durchschnitt wesentlich größer als heute, jedoch enthielten auch sie kaum mehr als einigen hundert Sonnenmassen. Von dort ist es ein gewaltiger Sprung bis zu den Millionen von Sonnenmassen der Schwarzen Löcher.

Denn der Massenzuwachs Schwarzer Löcher ist begrenzt. Wenn Gas auf ein Schwarzes Loch zuströmt, erhitzt es sich und beginnt deshalb zu leuchten. Und diese Strahlung übt einen nach außen gerichteten Druck auf das Gas aus. Nimmt der Zustrom immer weiter zu, so steigt auch dieser Strahlungsdruck – und irgendwann ist er genauso groß, wie die Anziehungskraft des Schwarzen Lochs. Damit kommt der Zustrom zum Stillstand. „Eddington-Grenze“ nennen die Forscher dieses Limit nach ihrem Entdecker, dem britischen Astrophysiker Arthur Stanley Eddington.

Das Eddington-Limit verhindert also ein allzu schnelles Anwachsen der Schwarzen Löcher – und deshalb bereitet die Existenz vieler massereicher Schwarzer Löcher im jungen Kosmos den Astronomen Kopfzerbrechen. Doch LID-568 zeigt den Forschern einen Ausweg auf: Das Schwarze Loch ist gefräßiger als erlaubt, es übersteigt die Eddington-Grenze um das Vierzigfache.

Wie aber ist es für das Schwarze Loch möglich, die Eddington-Grenze zu überschreiten? Die Beobachtungen des Teams mit dem Weltraumteleskop James Webb zeigen, dass von LID-568 ein ungewöhnlich starker Strom von Gas mit einer Geschwindigkeit von über 500 Kilometern pro Sekunde – das sind 1,8 Millionen Kilometer pro Stunde – ausgeht. Das Team geht daher davon aus, dass dieser Strom eine Art „Ventil“ ist, über das LID-568 seine überschüssige Energie los wird.

„Dieser extreme Fall zeigt uns,“, so Julia Scharwächter vom internationalen Gemini-Observatorium, eine an der Entdeckung beteiligte Forscherin, „dass ein schneller Fütterungsmechanismus oberhalb des Eddington-Limits eine mögliche Erklärung für die Existenz so vieler massereicher Schwarzer Löcher im jungen Universum ist.“

Bildquelle: NASA