Kühlmittel des Weltraumteleskops ist aufgebraucht - Überwachungsdaten zeigen langsamen Temperaturanstieg
Paris (Frankreich) - Einer der erfolgreichsten europäischen Astronomie-Satelliten stellt seinen Betrieb ein: Dem Infrarot-Weltraumteleskop Herschel ist das Kühlmittel ausgegangen. Gestern routinemäßig zur Erde gefunkte Kontrolldaten zeigen einen langsamen Temperaturanstieg des im Mai 2009 gestarteten Instruments an. Damit wird das Fernrohr praktisch blind. Denn Infrarotstrahlung ist Wärmestrahlung - ein warmes Infrarot-Teleskop gleicht daher einem optischen Fernrohr, das von innen beleuchtet wird.
Herschels Wärmetod kommt nicht unerwartet: Die Experten der Europäischen Weltraumbehörde Esa rechnen bereits seit März mit dem endgültigen Ausfall der Kühlung. 2300 Liter flüssiges Helium hatte Herschel ursprünglich an Bord, um seine Instrumente auf eine Temperatur von minus 271 Grad zu kühlen – 2 Grad über dem absoluten Nullpunkt. Da die Kühlung durch die Verdunstung des Heliums erfolgt – ähnlich wie verdunstende Feuchtigkeit unsere Haut abkühlt – hat sich der Kühlmittel-Tank langsam geleert. Nun ist das Helium vollständig verdunstet.
Mit dem planmäßigen Wärmetod gehen knapp vier Jahre erfolgreicher Forschung zu Ende. Herschel ist mit seinem 3,5 Meter großen Spiegel das bislang größte Infrarot-Teleskop im Weltall. Infrarotstrahlung ist langwelliger als sichtbares Licht, aber kurzwelliger als Radiostrahlung. Im Gegensatz zu Licht kann es Staubwolken durchdringen. Herschel hat den Astronomen deshalb unter anderem einen tiefen Blick in die staubreichen Entstehungsregionen von Sternen und Planeten ermöglicht.
Um der störenden Wärmestrahlung sowohl der Sonne als auch der Erde auszuweichen, wurde Herschel nicht in einer Erdumlaufbahn platziert, sondern 1,5 Millionen Kilometer entfernt auf der sonnenabgewandten Seite der Erde. An diesem so genannten Lagrange-Punkt heben sich Anziehungs- und Fliehkräfte gerade so auf, dass das Teleskop – bis auf kleinere Korrekturen – antriebslos mit der Erde zusammen um die Sonne kreisen konnte. Nun muss Herschel, um Zusammenstöße mit anderen Raumfahrzeugen am Lagrange-Punkt zu vermeiden, in einen Friedhofs-Orbit um die Sonne gelenkt werden. Erst in etwa 300 Jahren wird das Teleskop sich dann wieder der Erde nähern.
„Insgesamt hat Herschel über 22.000 Stunden wissenschaftliche Beobachtungen durchgeführt“, fasst Leo Metcalfe, Missions-Manager für Herschel am Europäischen Zentrum für Weltraumastronomie in Madrid, zusammen. „Das ist zehn Prozent mehr als geplant – Herschel hat unsere Erwartungen also bereits übertroffen.“ Und auch wenn die Beobachtungen des Teleskops nun beendet sind – die gesammelten Daten werden die Astronomen noch lange beschäftigen. „In den kommenden Jahren machen wir die gewonnen Karten, Spektren und Kataloge in bestmöglicher Form zugänglich“, betont Göran Pilbratt, Herschel-Wissenschaftler der Esa. „Viele weitere Entdeckungen warten auf uns.“
Bildquelle: ESA