Auf „Gaia“ prasseln hundert Mal mehr Kleinkörper ein als erwartet – besitzt auch die Erde einen Ring?

Cambridge (Großbritannien) - Der europäische Astronomie-Satellit Gaia wird kräftig durchgeschüttelt: Rund 500 Mikrometeoriten prallen pro Tag auf das Raumfahrzeug und versetzen es in Vibrationen. Die Forscher sind überrascht: Sie hatten lediglich mit ein bis zehn Einschlägen pro Tag gerechnet. Das heftige Bombardement könnte ein Indiz dafür sein, dass auch die Erde einen Ring aus Staub und Kleinkörpern besitzt, so Gaia-Forscher Floor van Leeuwen gegenüber dem Wissenschaftsmagazin „New Scientist“.

Der im Dezember 2013 gestartete Satellit soll die genauen Positionen, Helligkeiten und Farben von über einer Milliarde Sternen messen und so die bislang genaueste Karte unserer Milchstraße liefern. Um Störungen bei den Messungen zu vermeiden, umkreist Gaia nicht die Erde. Vielmehr ist der Satellit am so genannten Lagrange-Punkt L2 stationiert, wo er gemeinsam mit der Erde die Sonne umrundet. An diesem auf der sonnenabgewandten Seite 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernten Ort gleichen sich die Anziehungskräfte von Erde und Sonne einerseits, sowie die Fliehkraft der Umlaufbahn andererseits gerade so aus, dass eine – bis auf gelegentliche Bahnkorrekturen – antriebslose Begleitung der Erde auf ihrem Orbit möglich ist.

Gaia ist nicht das erste Raumfahrzeug, das am Lagrange-Punkt parkt. Doch bei früheren Missionen hatten die Forscher keine Einschläge von Mikrometeoriten bemerkt. Die hoch präzisen Positionsmessungen sind allerdings nur möglich, weil auch die Orientierung von Gaia mit hoher Genauigkeit bekannt und unter Kontrolle ist. Deshalb können die Wissenschaftler bei Gaia im Gegensatz zu anderen Satelliten jeden kleinen Einschlag durch die dabei verursachte Änderung der Ausrichtung des Raumfahrzeugs registrieren.

Der überraschende Strom von Mikrometeoriten beeinflusst auch die Planung für das große James Webb Space Telescope, das voraussichtlich 2018 als Nachfolger für das Weltraumteleskop Hubble ins All fliegt. Auch das Webb-Teleskop soll nämlich am Lagrange-Punkt L2 stationiert werden – aber die Mikrometeoriten könnten zu einem schnellen Qualitätsverlust des Teleskopspiegels führen. Nun müssen die Forscher über einen Schutz des Instruments vor dem Bombardement nachdenken.

Bildquelle: ESA/ATG medialab; ESO/S. Brunier