Daten des Satelliten-Observatoriums Gaia liefern neue Erkenntnisse über unser Zentralgestirn
In etwa dreieinhalb Milliarden Jahren beginnt unsere Sonne, sich an der Oberfläche abzukühlen und bläht sich dabei zu einem roten Riesenstern auf, der möglicherweise alle inneren Planeten einschließlich der Erde verschlingt. Neu ist dieses Schreckensszenario nicht, aber Astronomen konnten jetzt Zeitpunkt und Verlauf dieser Katastrophe genauer als je zuvor bestimmen, wie die Europäische Weltraumbehörde ESA berichtet. Dazu verwendeten die Forscher unlängst veröffentlichte Daten des Satelliten Gaia, der seit 2014 mit mehreren Teleskopen Milliarden von Sternen beobachtet.
„Erst wenn wir unsere Sonne verstehen – und es gibt noch vieles, was wir nicht über sie wissen – können wir erwarten, all die anderen Sterne in unserer Milchstraße zu verstehen“, erläutert Orlagh Creevey vom Observatorium Côte d’Azur in Frankreich die Motivation für die umfangreiche Datenanalyse, die sie und ihre Kollegen durchgeführt haben. Und um neue Erkenntnisse über unsere Sonne zu gewinnen, müssen die Forscher sich wiederum eine große Zahl ähnlicher Sterne anschauen. Denn unsere Sonne sehen wir nur zum heutigen Zeitpunkt ihrer Entwicklung, 4,57 Milliarden Jahre nach ihrer Entstehung. Erst die Beobachtung vieler, unterschiedlich alter sonnenähnlicher Sterne erlaubt es den Astronomen, einen Blick in die Entwicklungsgeschichte der Sonne zu werfen.
Diese Möglichkeit bieten die Gaia-Daten, denn sie erfassen neben der Bewegung auch Größe, Temperatur, Masse und chemische Zusammensetzung der Sterne. Und eine genaue Analyse dieser Daten versetzt die Astronomen in die Lage, die Art des Sterns – also auch seine Ähnlichkeit mit der Sonne – und sein Alter zu bestimmen. In einem ersten Schritt haben Creevey und ihre Kollegen aus der gigantischen Datenmenge die Sterne mit den genauesten Werten herausgefiltert. „Wir wollten eine möglichst sauberen Datensatz mit hoch präzisen Messwerten zu unserer Verfügung haben“, betont die Forscherin.
Aus dieser Auswahl filterte das Team im zweiten Schritt dann all jene Sterne heraus, die bezüglich ihrer Masse und ihrer chemischen Zusammensetzung unserer Sonne gleichen. Das Entscheidende dabei: All diese Sterne ähneln damit zwar der Sonne, sind aber höchst unterschiedlich alt. Denn solange die Sterne in ihrem Inneren Wasserstoff zu Helium verbrennen und so ihre Strahlung erzeugen, ändert sich ihre Masse und ihre Zusammensetzung nur geringfügig. Anders sieht es dagegen mit Größe und Temperatur der Sterne aus: Beides nimmt langsam zu.
Da die Sterne der Sonne ähneln, aber unterschiedlich alt sind, konnten Creevey und ihre Kollegen auf diese Weise ermitteln, wie die zeitliche Entwicklung dieser Sterne – und damit auch unserer Sonne – verläuft. Das Ergebnis: Wenn die Sonne acht Milliarden Jahre alt ist, erreicht ihre Oberfläche eine maximale Temperatur – die allerdings nur etwa 20 Grad höher ist als der heutige Wert von 6045 Grad Celsius. Dann beginnt sie sich abzukühlen und zu einem Roten Riesen aufzublähen. Erst wenn im Inneren der Sonne keinerlei Kernfusion mehr stattfindet – in einem Alter von zehn bis elf Milliarden Jahren – fällt der Rote Riese zu einem gerade einmal erdgroßen Weißen Zwergstern zusammen, der über Milliarden von Jahren langsam abkühlt.
Damit nicht genug, gingen Creevey und ihre Kollegen jetzt noch einen weiteren Schritt: Sie pickten aus ihren Daten all jene Sterne heraus, die zusätzlich auch bezüglich Temperatur und Größe der Sonne ähneln – und damit auch etwa im gleichen Alter sind wie unser Zentralgestirn. Insgesamt 5883 „solare Analogons“ fanden die Forscher auf diese Weise – und diese Liste ist für Astronomen in aller Welt höchst wertvoll. Denn genaue Beobachtungen dieser Sterne kann die Frage beantworten, wie „normal“ unsere Sonne ist. Oder ob die Entstehung von Leben auf der Erde vielleicht davon abhing, dass die Sonne besondere Eigenschaften besitzt, die sie von anderen Sternen unterscheidet.
Bildquelle: NASA