Die Atmosphäre des Zwergplaneten ist kälter als theoretisch vorhergesagt - neues Modell bietet eine Erklärung

Santa Cruz (USA) - Die Atmosphäre des Zwergplaneten Pluto ist etwa 30 Grad kälter als von theoretischen Modellen vorhergesagt. Das zeigten Messungen der Raumsonde „New Horizons“, die am 14. Juli 2015 an dem Himmelskörper vorüber flog. Ein Forscherteam aus den USA präsentiert jetzt eine Erklärung für die bislang rätselhafte Unterkühlung des Zwergplaneten: Dunstschleier aus Kohlenwasserstoff-Partikeln strahlen einen großen Teil der von der Sonne empfangenen Energie als Infrarotstrahlung wieder ins Weltall ab und kühlen so die Atmosphäre. Bereits mit dem im Frühjahr 2019 startenden „James Web Space Telescope“ sollte ein Nachweis dieser Infrarotstrahlung möglich sein, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature“.

„Pluto wäre damit der erste uns bekannte planetarische Körper, bei dem das Energiegleichgewicht der Atmosphäre nicht durch Gase, sondern durch feste Partikel bestimmt wird“, hebt Xi Zhang von der University of California in Santa Cruz die Bedeutung des Modells hervor. Ähnliche Effekte könnten auch eine wichtige Rolle bei vielen Planeten spielen, die um andere Sterne kreisen.

Die von der Raumsonde „New Horizons“ gelieferten Aufnahmen zeigen tatsächlich eine ganze Serie horizontal geschichteter Dunstschleier in der Atmosphäre von Pluto, die bis in eine Höhe von mindestens 350 Kilometern hinauf reichen. Auf Basis der ebenfalls von „New Horizons“ gemessenen chemischen Zusammensetzung zeigen Zhang und seine Kollegen, dass die ultraviolette Strahlung der Sonne in Höhen bis zu tausend Kilometern Stickstoff und Methan ionisiert. Diese Ionen reagieren dann miteinander und bilden Kohlenwasserstoff-Partikel, die zunächst einige zehn Nanometer groß sind. Die Partikel sinken dann in der Atmosphäre langsam nach unten, wachsen dabei an und bilden die auf den „New Horizons“-Aufnahmen sichtbaren Dunstschleier.

„Solche Dunst-Partikel nehmen dann einerseits sehr viel mehr Wärme auf, kühlen aber andererseits auch sehr viel stärker durch die Abgabe thermischer Strahlung ab als Gasmoleküle“, stellen Zhang und seine Kollegen fest. Dadurch dominiere der Dunst das Temperaturgleichgewicht in der Atmosphäre Plutos von der Oberfläche bis in eine Höhe von 700 Kilometern. Ob der Dunst netto zu einer Erwärmung oder zu einer Abkühlung führt, hängt dann allerdings von der exakten Zusammensetzung der Kohlenwasserstoff-Partikel ab – und diese ist bislang unbekannt.

Zhang und seine Kollegen präsentieren ein Modell mit geeigneten Partikeln, mit der sich die beobachtete Abkühlung von der theoretisch vorhergesagten Temperatur von minus 173 Grad Celsius auf die beobachtete Temperatur von minus 203 Grad Celsius reproduzieren lässt. Die Frage, ob dieses Modell mit der tatsächlichen Zusammensetzung des Dunstes in der Pluto-Atmosphäre übereinstimmt, müssen die Forscher jedoch zunächst unbeantwortet lassen. Allerdings ergibt sich aus ihrem Modell die Vorhersage, dass die Atmosphäre des Zwergplaneten im Infrarot-Bereich erheblich heller strahlt, als bislang angenommen. Und eine solche Strahlung sollte mit dem Nachfolger des Weltraumteleskops Hubble, dem James Web Space Telescope, leicht nachweisbar sein. Beobachtungen mit diesem neuen Großinstrument könnten also bereits 2019 das Modell von Zhang und seinen Kollegen entweder bestätigen oder verwerfen.

Bildquelle: NASA/JHU APL/SwRI