Radiobeobachtungen zeigen keine Anzeichen für gebündelten Materiestrahl

Socorro (USA) - Was passiert, wenn zwei Neutronensterne zusammenstoßen und verschmelzen? Die bisherigen Vorstellungen der Astrophysiker von einer solchen kosmischen Katastrophe treffen offenbar nicht zu. Radiobeobachtungen der „Nachwehen“ einer solchen Kollision durch ein internationales Astronomenteam zeigen im Gegensatz zu den Erwartungen der Forscher keinerlei Hinweise auf einen „Jet“, einen weit ins All hinaus schießenden, stark gebündelten Materiestrahl. Stattdessen scheine ein Kokon aus ausgeworfener Materie die Energie der Explosion aufzunehmen, berichten die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature“.

„Die Intensität der Radiostrahlung von dem Objekt steigt langsam an“, erläutert Kunal Mooley vom National Radio Astronomy Observatory der USA in Socorro. „Das deutet darauf hin, dass hier Materie mit nahezu Lichtgeschwindigkeit weit gefächert nach außen strömt.“ Bei einem eng gebündelten Materiestrahl würden die Forscher dagegen eine Abnahme der Radiostrahlung mit der Zeit erwarten. Mooley und seine Kollegen haben das Objekt drei Monate lang mit mehreren Radioteleskopen überwacht.

Den ersten Hinweis auf die Kollision hatten die beiden Gravitationswellen-Detektoren LIGO in den USA und der Gravitationswellen-Detektor VIRGO in Italien geliefert. Erstmalig waren den Forschern Gravitationswellen nicht von zusammenstoßenden Schwarzen Löchern, sondern von Neutronensternen ins Netz gegangen – und erstmalig war das Signal von gleich drei Detektoren registriert worden. Das ermöglichte es den Astronomen, per Triangulation die Position der Quelle um Himmel zu identifizieren und auch im elektromagnetischen Spektrum nach Spuren des Ereignisses zu suchen. So konnten die Himmelsforscher die Kollision, die in einer 130 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie stattgefunden hatte, nicht nur im optischen und infraroten Bereich beobachten, sondern auch Radio- Röntgen- und Gammastrahlung von dem Ereignis empfangen.

Theoretische Modelle sehen solche verschmelzenden Neutronensterne als Ursache der kurzen Gammablitze – etwa zwei Sekunden andauernde Ausbrüche hochenergetischer Gammastrahlung. In diesen Modellen entsteht die Gammastrahlung jedoch durch einen Jet, einen durch Magnetfelder eng gebündelten Materiestrahl, der bei der Verschmelzung ins All hinaus schießt. Dieses Szenario konnten die Radiobeobachtungen von Mooley und seinen Kollegen nicht bestätigen. Der langsame Anstieg der Radiostrahlung deute vielmehr daraufhin, dass sich um die kollidierenden Neutronensterne ein Kokon aus dichter Materie bilde, der die Energie des entstehenden Jets aufnimmt und seine weitere Ausbreitung verhindert, so die Forscher.

Wäre diese Vorstellung korrekt, so erkannten Mooley und seine Kollegen, müsste auch die Röntgenstrahlung des Objekts mit der Zeit zunehmen. Beobachtungen des Röntgensatelliten Chandra am 2. und 6. Dezember haben diese Vorhersage und damit das Kokon-Modell bestätigt. Damit sollte es künftig möglich sein, weitere Zusammenstöße von Neutronensternen nicht nur über Gravitationswellen, sondern auch über die sich durch die charakteristische, zunehmende Strahlung im Radio- und Röntgenbereich zu identifizieren.

Bildquelle: NRAO/AUI/NSF: D. Berry