Neue Erkenntnisse über ersten interstellaren Körper im Sonnensystem

Belfast (Nordirland) - Die über Jahrmillionen hinweg wirkende kosmische Strahlung hat den interstellaren Himmelskörper Oumuamua möglicherweise mit einer dicken Schicht aus komplexen, kohlenstoffhaltigen Substanzen überzogen. Darauf deuten spektroskopische Beobachtungen des Objekts durch ein internationales Astronomenteam hin. Diese Schicht aus organischen Stoffen könnte das Objekt vor der Strahlung der Sonne geschützt und so ein Verdampfen von Wassereis aus seinem Inneren verhindert haben, wie ein von den Forschern erstelltes thermisches Modell des Himmelskörper zeigt. Das würde erklären, warum Oumuamua keine – eigentlich erwartete – kometenartige Aktivität gezeigt hat, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature Astronomy“.

„Im Verlauf der Entstehung und Entwicklung des Sonnensystems wurden zahlreiche Kometen und Asteroiden in den interstellaren Raum hinaus geschleudert“, erläutern Alan Fitzsimmons von der Queen´s University in Belfast und seine Kollegen. „Ähnliches sollte auch bei der Entstehung anderer Planetensystem passieren.“ Im interstellaren Raum sollte es also eine Vielzahl solcher ausgeworfener Objekte geben – und unser Sonnensystem sollte immer wieder von derartigen Objekten durchquert werden. Statistische Modelle sagen voraus, dass kometenartigen Körper die Population dieser Objekte dominieren.

Im Oktober spürten Astronomen mit dem automatischen Teleskop Pan-STARRS erstmals einen solchen interstellaren Gast im Sonnensystem auf. Doch das Oumuamua getaufte Objekt zeigte im Gegensatz zu den Erwartungen der Astronomen keinerlei kometenartige Aktivität – es bildete weder eine Koma noch eine Schweif heraus. Fitzsimmons und seine Kollegen präsentieren jetzt eine mögliche Erklärung dafür. Ihre spektroskopischen Beobachtungen des Himmelskörpers mit dem William-Herschel-Teleskop auf La Palma und mit dem Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte in Chile deuten darauf hin, dass Oumuamua von einer dicken Schicht aus organischen Stoffen überzogen ist, die sich im Verlauf von Jahrmillionen durch die kosmische Strahlung gebildet haben könnte. Ein darauf aufbauendes thermisches Modell der Forscher zeigt, dass bereits eine Schicht mit einer Dicke von nur einem halben Meter ausreichen würde, um Oumuamua so stark gegen die Strahlung der Sonne zu isolieren, dass unter der Schicht verborgenes Eis nicht verdampfen würde.

Allerdings hat dieses Modell eine Schwäche, wie Fitzsimmons und seine Kollegen gestehen: Auch die kometarischen Körper in der Oortschen Wolke unseres Sonnensystems sind der kosmischen Strahlung ausgesetzt – wandeln sich aber beim Eindringen in das innere Sonnensystem in oft spektakuläre Kometen mit ausgeprägten Schweifen um. Oumuamua sei jedoch im Vergleich zu typischen Kometen sehr klein, geben die Forscher zu bedenken. Deshalb könnten die flüchtigen Stoffe in seinem Inneren im Verlauf der interstellaren Reise bereits komplett verloren gegangen sein. In diesem Fall sollten künftige Spezialteleskope wie das im Bau befindliche Large Synoptic Survey Telescope neben weiteren interstellaren Gastobjekten jedoch eine Vielzahl ähnlich kleiner und inaktiver Körper in unserem Sonnensystem entdecken.

Bildquelle: European Southern Observatory, M. Kornmesser