Astronomen weisen Lense-Thirring-Präzession bei fernem Doppelstern nach

Wenn ein massereiches Objekt sehr schnell rotiert, dann zieht es den umgebenden Raum mit sich. Dieser 1918 von den österreichischen Physikern Josef Lense and Hans Thirring in Zusammenarbeit mit Albert Einstein vorhergesagte Effekt ist eine direkte Folge der Allgemeinen Relativitätstheorie. Einem internationalen Forscherteam gelang es jetzt, durch jahrzehntelange Radiobeobachtungen das Phänomen bei einem aus einem Neutronenstern und einem Weißen Zwerg bestehenden Doppelsystem nachweisen. Die Bahnebene des Neutronensterns verändere sich exakt so, wie es durch das Mitziehen des Raumes durch den rotierenden Zwergstern zu erwarten sei, berichten die Wissenschaftler im Fachblatt „Science“.

Möglich waren die genauen, über zwanzig Jahre andauernden Messungen der Astronomen, weil es sich bei dem Neutronenstern um einen Pulsar handelt. Er rotiert mit hoher Geschwindigkeit und besitzen ein starkes Magnetfeld. Entlang der Nord-Süd-Achse des Magnetfelds sendet er dabei stark gebündelt Radiostrahlung aus. Da die Achse des Magnetfelds gegen die Rotationsachse gekippt ist, streicht dieser gebündelte Strahl regelmäßig über die Erde und die Astronomen empfangen Radiopulse, in diesem Fall 2,5 pro Sekunde.

„Durch eine hochgenaue Messung der Ankunftszeiten der Pulsarsignale mit Hilfe von Atomuhren konnten wir die Bewegung des Pulsars in seiner Bahn mit einer Genauigkeit von dreißig Kilometern verfolgen, und das über einen Zeitraum von fast zwanzig Jahren”, erläutert Vivek Venkatraman Krishnan vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie, einer der beteiligten Forscher. „Das ermöglichte uns eine präzise Messung sowohl des Durchmessers als auch der Orientierung der Umlaufbahn.“ Der Pulsar erreicht auf seiner Bahn Geschwindigkeiten von bis zu 280 Kilometern pro Sekunde. „Dabei ist der maximale Abstand zwischen beiden Sternen kaum größer als der Durchmesser unserer Sonne”, so Krishnan.

Die zweite Komponente in dem Doppelstern ist ein sehr massereicher und extrem schnell rotierender Weißer Zwergstern. Seine ungewöhnlichen Eigenschaften verdankt er der Entstehungsgeschichte des Systems: Der Zwergstern hat sehr viel Masse von dem Vorgängerstern des Pulsars aufgenommen und dadurch seine Eigendrehung enorm beschleunigt. Aus den Messungen der Forscher ergibt sich, dass er für eine Umdrehung heute weniger als 200 Sekunden benötigt. Und diese schnelle Rotation verursacht den von dem Team nachgewiesenen Lense-Thirring-Effekt, ein Taumeln der Bahn des Pulsars. Wieder einmal konnten Astronomen also die Vorhersagen der Allgemeinen Relativitätstheorie Einsteines bestätigen.

Die Astronomen gehen davon aus, dass neue und geplante große Radioteleskope wie das Square Kilometre Array künftig eine zentrale Rolle für das Verständnis spielen werden, wie sich die Phänomene der Relativitätstheorie in solchen extremen Umgebungen im Kosmos auswirken. Die Entdeckung vieler weiterer exotischer Doppelsysteme könne, so die Forscher, neue Möglichkeiten eröffnen, die von der Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagten Effekte zu erforschen.

Bildquelle: M, Myers/ ARC Centre of Excellence for Gravitational Wave Discovery