Seltsames Himmelobjekt könnte Einblick in die Entwicklung massereicher Sterne geben

Befindet sich 7000 Lichtjahre von der Erde entfernt ein Schwarzes Loch mit der 70-fachen Masse unserer Sonne? Das behauptete im vergangenen Jahr ein internationales Forscherteam um Jifeng Liu von der Universität Wuhan in China. Doch die Behauptung zog sofort Kritik von Fachkollegen auf sich: Derart massereiche Schwarze Löcher sollte es aufgrund theoretischer Erwägungen in unserer Milchstraße nicht geben. Jetzt präsentieren belgische Astronomen im Fachblatt „Nature“ weitere Beobachtungen des seltsamen Himmelsobjekts – und zeigen, dass es sich als eher gewöhnlicher Doppelstern interpretieren lässt. Liu und seine Kollegen setzen sich – ebenfalls in „Nature“ – zur Wehr: Eine solche Erklärung sei möglich, aber sehr unwahrscheinlich.

„Wir erwarten in der Galaxis keine stellaren Schwarzen Löcher mit derart großer Masse“, erläutern Michael Abdul-Masih von der Universität Löwen in Belgien und seine Kollegen ihre Zweifel. Denn solche Schwarzen Löcher entstehen, wenn massereiche Sterne am Ende ihres Lebens als Supernova explodieren und der Kern des Sterns zusammenstürzt. Doch ein vergleichsweise hoher Anteil an schweren Elementen in den Sternen der Milchstraße führe zu starken Sternwinden und besonderen Arten von Sternexplosionen, die keinen derartigen Überrest hinterlassen. Deshalb haben Abdul-Masih und sein Team das als LB-1 bezeichnete Objekt mit einem Spezialteleskop auf La Palma noch einmal genauer ins Visier genommen.

Die Behauptung von Liu und seinen Kollegen basiert hauptsächlich auf Veränderungen im Spektrum von LB-1, die von den Forschern als Indiz für die Bewegung eines Schwarzen Lochs in einem Doppelsystem mit einem normalen Stern angesehen wird. Doch wie Abdul-Masih und sein Team jetzt zeigen, lassen sich diese Veränderungen auch durch Absorption in der Atmosphäre eines gewöhnlichen Sterns erklären – damit könnte es sich bei LB-1 schlicht um einen Doppelstern aus zwei Sternen mit jeweils vier Sonnenmassen handeln.

Liu und seine Kollegen gestehen ihren Kontrahenten zu, dass ein solches Szenario eine mögliche Erklärung für die Beobachtungen bietet. Doch sie halten das Modell gleichwohl für unwahrscheinlich – denn es erfordere eine Einbettung des gesamten Doppelsystems in eine große Scheibe aus Gas. Nur wenn die Sterne die Strahlung dieses Gases absorbieren, könnten sie die im Spektrum beobachteten Veränderungen hervorrufen. Doch für eine solche Gasscheibe gäbe es, so die Forscher weiter, keinerlei Hinweis im Spektrum von LB-1. „Wir favorisieren daher weiterhin ein Objekt mit der 23- bis 65-fachen Masse der Sonne.“ Derzeit führen Liu und seine Kollegen weitere Beobachtungen durch, mit denen sie ihre These untermauern wollen. Denn falls LB-1 tatsächlich ein derart massereiches Schwarzes Loch enthält, würde das auf Fehler in den Modellen der Astronomen für die Entwicklung sehr massereicher Sterne hinweisen.

Bildquelle: NASA